Zeremonienmeisterin im Schlaraffenland

Grevenmacher · Kulturpolitik machen in Luxemburg: Von Deutschland aus scheint das eine Tätigkeit im Schlaraffenland zu sein. Gemessen an den Sparprogrammen hierzulande, kann die Luxemburger Kulturministerin Octavie Modert regelrecht aus dem Vollen schöpfen. Aber trotz aller Investitionen in die Kultur: Allseitige Zufriedenheit lässt sich schwer erzeugen.

 In Luxemburg darf Kultur etwas kosten, wie die Philharmonie auf dem Kirchberg eindrucksvoll zeigt. Archiv-Foto: Friedemann Vetter

In Luxemburg darf Kultur etwas kosten, wie die Philharmonie auf dem Kirchberg eindrucksvoll zeigt. Archiv-Foto: Friedemann Vetter

 Octavie Modert. Foto: TV-Archiv

Octavie Modert. Foto: TV-Archiv

Ortstermin mit der Ministerin im "Kulturhuef" ihrer Heimatstadt Grevenmacher. Octavie Modert schält sich aus dem Dienstwagen, witzelt unverkrampft über ihre nicht allzu ausgeprägte Körpergröße, begrüßt fast alle per "Du" und setzt sich mit einem Glas Wein in den prächtig renovierten Patio des alten Schlachthofs, der heute als professionelles Kulturzentrum dient.

Luxemburger Politiker sind auf eine angenehme Weise unkompliziert. Was eine gewisse Neigung zur Weitschweifigkeit nicht ausschließt. Mit leichtem Schaudern erinnern sich Zeitzeugen an die erste internationale Pressekonferenz in Sachen Kulturhauptstadt, als die junge Staatssekretärin Modert im Jahr 2005 bei ihrem Statement partout kein Ende finden konnte. Inzwischen ist der einstige Juncker-Schützling Amtschefin in Sachen Kultur. Weil die Staatsregierung auch die Kulturinstititutionen der Kommunen maßgeblich mitfinanziert, läuft an Madame Modert kaum etwas vorbei. Das renovierte Theater in Esch, das Geburtstagskind Cape in Ettelbrück, das Trifolion in Echternach, das Kulturzentrum Opderschmelz in Düdelingen, der Cube 521 in Manternach, die kleinen Museen und Kulturzentren an der Mosel: Die Ministerin würde Wochen brauchen, um alle Kultureinrichtungen im Ländchen zu besuchen. Rockhal und Kulturfabrik, Cinémathèque, Nationale Zentren für Literatur und Fotografie, dazu die Giganten Philharmonie, Grand Théatre, Nationaltheater, OPL, Mudam, Casino nebst weiteren Museen für bildende Kunst, Geschichte und Naturwissenschaften: Luxemburg verfügt, gemessen an seinen 500 000 Einwohnern, über ein unfassbar vielfältiges Kulturangebot. "Dezentral und für alle verfügbar" müsse Kultur sein. Entsprechend achte man auf bezahlbare Eintrittspreise, auch wenn dadurch Einnahmen verloren gingen. "Kultur trägt sich eben nicht selbst", sagt die 43-Jährige mit einer Selbstverständlichkeit, die man sich von deutschen Politikern gelegentlich wünschen würde.

Aber die Christdemokratin macht auch keinen Hehl daraus, dass Kultur bisweilen repräsentieren darf. Gerade hat sie den Vertrag mit Matthias Naske ("Ein Glück, dass ihn uns keiner weggeschnappt hat"), dem Erfolgs-Manager der Philharmonie, verlängert. Ein Mann nach ihrem Geschmack: "Er garantiert höchste internationale Qualität, aber trotzdem traut man sich auch mit Turnschuhen in den Konzertsaal."

Beim in die Kritik geratenen Mudam-Museum will sie konsequent Kurs auf die zeitgenössische Moderne halten ("Was würden uns vier Picassos bringen?"), das eher mühevoll in die Gänge kommende Luxemburger Filmfestival soll auch weiterhin nicht mit Cannes konkurrieren: "Ich möchte keinen Bahnhof der Stars, sondern inhaltliches Profil". Und überhaupt: "Lieber Graswurzel-Roots als groß dimensionierte Projekte."

In der Luxemburger Kulturszene glauben ihr das nicht alle. Jedenfalls nicht unter denen, die sich bei der Subventionsvergabe weniger gut bedient fühlen. Der Autor Guy Rewenig beispielsweise schrieb ihr kürzlich über die Presse einen zutiefst beleidigenden, ihr jegliche menschliche und fachliche Kompetenz absprechenden "Offenen Brief", in dem er sich ihre Teilnahme an der Verleihung eines Literatur-Preises an ihn verbat. Modert ging unter den Augen des halben Landes hin, blieb cool, hielt ihr Grußwort - und erwähnte den Skandal mit keiner Silbe. Voilà: Auch das ist Luxemburg.

Zur Person

Octavie Modert, geboren 1966 in Grevenmacher, lebt mit ihrem Mann, einem Winzer, im Moselort Greiweldingen. Studien in Straßburg und Reading, 2004 bis 2009 war sie Multi-Staatssekretärin, seither ist sie Kulturministerin, zuständig auch für die Beziehungen zum Parlament und Verwaltungsreform. Sie ist Vize-Parteichefin der CSV.

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