Zirkus fürs Hirn

TRIER. (DiL) Vorhang auf für den ersten Zirkus des 21. Jahrhunderts: Der "Cirkus Cirkör" aus Schweden eröffnete bei seinem Kultursommer-Gastspiel auf der Kaiserthermen-Palaestra neue Perspektiven für eine alte Kulturform.

Wann hat man so etwas schon mal gesehen: Rote Blutkörperchen führen einen wilden Tanz auf, Spermien und Eizellen treffen sich zum "Pas de Deux", Menschen balancieren über die Köpfe anderer, Jongleure lassen Ringe an den Ohren kreisen, Akrobaten hangeln sich in atemberaubender Höhe an DNA-Fäden entlang. 80 Minuten Fantasie, Akrobatik, Bilder, Musik mit Futter für alle Sinne: Der "Cirkus Cirkör" wird bei seinem Trier-Gastspiel vor drei Mal ausverkauftem Haus seinem Ruf als Erneuerer der Zirkus-Kunst gerecht. Neun Artisten, hundert Verwandlungen, Video-Projektionen und verrückte Requisiten, ein Blick ins innere Universum des Menschen. Man müsste wahrscheinlich zehn Vorstellungen besuchen, um annähernd alle Bilder und Ideen zu entschlüsseln. Jede Menge Stoff zum Staunen, zum Nachdenken, zum Wundern - Zirkus fürs Hirn, aber auch Tanztheater und Performance. Dabei fällt auf, dass die Künstler gemeinsam und gleichberechtigt gestalten, keine Spur von der gewohnten Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen, Stars und Assistenten, Clowns und Artisten. Die dreiköpfige Band ist wesentlicher Bestandteil der Show, variabel von New Wave über Rock'n Roll bis Psychedelic. Das Timing ist perfekt und stellenweise unfassbar schnell. Keine Auf- und Abgänge, keine Moderation, jede Statik ist sorgfältig aus dem Programm eliminiert. Vielleicht entspricht das Herzflimmern, das die "Cirkör"-Künstler auf die Leinwände im Bühnenhintergrund projizieren, genau deshalb den inneren Empfindungen vieler Zuschauer, die sich in minutenlangen Standing Ovations Luft machen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael Bolton Vom erwischt werden
Aus dem Ressort