Zischen, klopfen, zirpen, brummen

Trier · So schreckt man Zuhörer ab: Eineinhalb Stunden Atonalität, keine zureichenden Erklärungen und ein nur schmaler, inhaltsarmer Programm-Flyer. "Classic Clash II" in der Trierer Tufa wuchs sich aus zum glatten Misserfolg.

Zischen, klopfen, zirpen, brummen
Foto: Martin Möller (mö) ("TV-Upload M?ller"

Trier. Irgendjemand bei den Veranstaltern Villa Musica und Südwestrundfunk (SWR) muss da etwas falsch verstanden haben. "Classic Clash" sollte doch wohl heißen: Auseinandersetzung zwischen Elitärem und Populärem in der Musik, zwischen Avantgarde und Pop und vielleicht sogar zwischen introvertierter Werktreue und wirkungssicherer Selbstdarstellung. Stattdessen lieferte das "Octopus"-Celloensemble (Nathan Bontrager, Elisabeth Fügemann, Nora Krahl, Hugues Vincent) über die gesamte Distanz reine Atonalität. Erklärungsversuche der Musiker versandeten in einem ratlosen "Genau!". Und von den gut 30 Besuchern im großen Tufa-Saal räumte in der Pause ungefähr ein Drittel fluchtartig seine Plätze.
Zwölf Töne sind gleichberechtigt


Dabei hätte man zu den Stücken der Amerikaner Roscoe Mitchell (*1940) und Glenn Branca (*1948) einiges erzählen können. Zum Beispiel, dass in Mitchells "Nonaah" der Stil der Schönbergschule umgeht - nicht, wie es ziemlich hilflos hieß, der von Stockhausen und Ligeti. Dass sich hinter den fünf Sätzen ein klassisches Schema versteckt - Allegro mit langsamer Einleitung, langsamer Satz, Scherzando und Finale. Und dass das emotionsstarke Largo klingt wie atonaler Bruckner, leider ohne sinngebende Zäsuren. Dem akustischen Eindruck nach dürfte im gesamten Werk Arnold Schönbergs Zwölfton-Prinzip walten. Was streng genommen bedeutet: Ein Ton erklingt erst erneut, wenn alle übrigen elf Töne vorher an der Reihe waren. Auch dazu schwiegen sich die Akteure aus.
Höhepunkt im zweiten Teil war eine brillante Gruppenimprovisation (nach einer eher tristen schon vor der Pause). Was auf so einem Cello möglich ist! Die vier Musiker produzierten eine Vielzahl von zischenden, klopfenden, zirpenden, brummenden Klängen und Geräuschen, ballten manche Klänge zu orchestraler Dichte, und gelegentlich tauchte im akustischen Glasperlenspiel sogar eine richtig schöne Kantilene auf. Glenn Brancas Auftragswerk "Dark Harmony" zum Abschluss ist zwar entschieden zu lang, wie so oft bei Neuer Musik. Immerhin: Hinter der Fassade des Immergleichen, die vor allem der ergänzende Schlagzeuger (Christian Thomé) aufbaute, verstecken sich echte Entwicklungen - in der Tonhöhe, in der Melodik, in den Zusammenklängen und den Klangfarben. Das rückt diese Musik in die Nähe von Bachs bekanntem C-Dur-Präludium, Ravels "Bolero" oder auch György Ligetis "Volumina" für Orgel.
Brancas Komposition war am Vortag in Koblenz uraufgeführt worden. Dass die Ausführenden und die Veranstalter ihre Energie in diese Aufführung investierten und Trier halbwegs links liegen ließen - dieser Verdacht lässt sich nicht ohne weiteres entkräften. Leider!

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