Zu Ende mit allen Träumen

Luxemburg · Es war wie Anti-Klavierprogramm. Statt mit donnernden Klangkaskaden zu glänzen, entfaltete Christian Zacharias in der Luxemburger Philharmonie bei Beethoven, Schubert und Schumann vor 1000 tief beeindruckten Zuhörern den Ausdrucksreichtum klassisch-romantischer Klaviermusik.

 Christian Zacharias verfolgt am Flügel seine eigene Logik. Foto: Philharmonie/François Zuidberg

Christian Zacharias verfolgt am Flügel seine eigene Logik. Foto: Philharmonie/François Zuidberg

Luxemburg. Ja, es mag sein, dass Christian Zacharias zu Beginn seines Konzerts in der Philharmonie noch nicht ganz auf der Höhe seiner großartigen Interpretenkunst war. Mag sein, dass er Beethovens As-Dur-Sonate, opus 26, allzu gradlinig anging und das Werk etwas von seinem Facettenreichtum verlor. Aber dann entfaltete dieser Pianist und Dirigent in den "Moments musicaux" aus Schuberts Todesjahr 1828 eine atemberaubende Gefühlsdichte. Bei Zacharias klingt das Stockende, Fragmentarische dieser Kompositionen an, ihr verzweifelt Sehnsüchtiges, ihr Ausdruck von Einsamkeit und Verlorensein, den sie mit Schuberts Liederzyk len "Die schöne Müllerin" und "Winterreise" teilt. Diese Musik ist wahrhaftig "zu Ende mit allen Träumen", wie es in einem Lied der "Winterreise" heißt.
Und wenn Zacharias nach der Pause in Schumanns "Kreisleriana" einsteigt, dann löst sich Stück für Stück die beklemmende Spannung. Dieser Schumann fließt - sacht, liebevoll, träumerisch, gelegentlich skurril und in den letzten Stücken auch mit euphorischem Schwung. Wie eindringlich entwickelt sich das letzte Stück vom feinen Klanggewebe der Hauptteile über markante Zwischenspiele zu einem Schluss, der kein Schluss ist, sondern die Musik in Gedanken weiterklingen lässt!
Anstelle einer lautstarken Virtuosenkomposition hat der Pianist Beethovens kaum bekannte Sonate opus 14,2 ans Konzertende gesetzt. Das verstößt gegen alle Regeln der Programmdramaturgie. Aber Zacharias, dessen Erscheinung immer asketischer geworden ist, verweigert sich dem publikumswirksamen Effekt. Sein Konzept hat eine eigene Logik. Beethovens kaum bekannte G-Dur-Sonate, op. 14,2, versöhnte vollends mit der trostlosen Verlassenheit Schuberts. Der frühe Beethoven, musiziert aus der Perspektive des späten - frei von Virtuosenallüren, fein, hell, transparent, zart und fast schwerelos. Musik wie aus dem Elysium. mö

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