"Zu klein, zu mickrig, zu provinziell"

Monschau · In ihrem Dokumentarfilm befasst sich die in der Nordeifel aufgewachsene Carolin Genreith nur vordergründig mit der Bauchtanztruppe ihrer Mutter. Eigentlich wirft die 28-jährige Regisseurin einen ironischen und selbstkritischen Blick auf ihre eigene Generation und auf ihre alte Heimat.

 Carolin Genreith. Foto: privat

Carolin Genreith. Foto: privat

Monschau. TV-Reporter Falk Straub hat sich mit Carolin Genreith über Lebenskrisen, das Älterwerden und die Eifel unterhalten.Frau Genreith, wie geht es Ihnen? Sind Sie immer noch in der Quarterlife Crisis, oder haben Sie diese dank Ihres Films "Die mit dem Bauch tanzen" überwunden?Carolin Genreith: So richtig überwunden habe ich meine Krise noch nicht. Ich bin immer noch in einer Phase, in der ich suche, wo und wie ich leben will. Aber mich beruhigt, dass ich ein paar Zielen nähergekommen bin. Dass ich mit 28 Jahren einen Film gemacht habe, der jetzt im Kino läuft, ist toll. Die intensive Auseinandersetzung mit Frauen, die doppelt so alt sind wie ich, hat mir aber auch gezeigt, dass es im Alter auch bergauf gehen kann. Das ist eine schöne Pers pektive, die man mit Ende 20 vermittelt bekommt.Was läuft im Lebensabschnitt zwischen 20 und 30 Jahren - um Ihre Worte aus dem Film zu gebrauchen - "gehörig schief"?Genreith: Eines der Hauptprobleme ist, dass Menschen meiner Generation unglaublich viel machen können und dann auch unglaublich viel, vielleicht zu viel, machen wollen. Daraus ergeben sich hundert Wege, die wir gehen können. Ich glaube, dass uns diese vielen Optionen kirre machen und manche am Ende nirgendwo ankommen. Hinzu kommt, dass sich meine Generation selbst wahnsinnig unter Druck setzt: Sie will möglichst schnell Erfolg haben - am besten bis 30. Ist das typisch für diese Generation?Genreith: Ich denke schon, dass der Hauptunterschied zwischen meiner Generation und der Generation meiner Mutter ein Vielfaches an Möglichkeiten ist. Als meine Mutter in meinem Alter war, hat sie einen Beruf gelernt, dann einen Mann geheiratet und relativ früh Kinder bekommen. Ich selbst kann Kinder bekommen, ich kann aber auch nach Australien gehen oder nach Kanada oder nach China. Ich kann jede Sprache lernen. Ich kann Single sein, ich kann mit einem Mann zusammen sein, ich könnte aber auch polyamor leben, wenn ich das wollte. Als meine Mutter in meinem Alter war, haben sich ihr diese Fragen gar nicht gestellt. Ich denke, dass diese Freiheit meiner Generation auch Probleme macht.Sie haben den Druck angesprochen, den sich Ihre Generation selbst macht. Wie ist es mit dem Druck, der von außen kommt?Genreith: Natürlich kommt auch viel Druck von außen. Und natürlich muss und will man auch allen möglichen Ansprüchen gerecht werden - besonders den Ansprüchen der eigenen Eltern, die sich irgendwann einmal Enkel wünschen und keine Omas und Opas in Rollstühlen sein wollen."Die mit dem Bauch tanzen" ist nicht nur ein Film über das Älterwerden, sondern auch ein Heimatfilm. Sie sind in der Eifel aufgewachsen und in Monschau zur Schule gegangen. Was bedeutet die Eifel für Sie?Genreith: Ich fand die Eifel immer total schrecklich und wollte möglichst schnell möglichst weit weg. Mir war dort alles zu klein, zu mickrig und zu provinziell. Ich habe nie verstanden, dass meine Mitschüler in Aachen studieren oder zu Hause wohnen bleiben wollten, dass sie an dem, was sie kennen, so sehr haften. Wohin hat Sie Ihr Fernweh geführt?Genreith: Ich bin erst nach London gezogen und danach nach Berlin. In den vergangenen Jahren habe ich aber gemerkt, dass die Eifel einer der wenigen Orte ist, an den ich immer wieder zurückkehren kann und mich wirklich immer gut fühle. Dort werde ich ganz schnell ruhig, komme runter und fühle mich aufgehoben. Wenn es so etwas wie ein Heimatgefühl gibt, dann ist es für mich ein Ort, an dem man sich aufgehoben fühlt. Und das ist die Eifel für mich geworden - allerdings erst, nachdem ich dort weggezogen bin.Was kann Ihre Generation von der Generation Ihrer Mutter lernen?Genreith: Ein bisschen Ruhe, Geduld und Vertrauen darin, dass die Dinge klappen. Es muss nicht immer alles passieren, bis man 30 oder 40 ist. fasDer Film läuft in der Eifel-Film-Bühne in Hillesheim und im Broadway in Trier. Die Regisseurin ist in den Kinos zu Gast: an diesem Sonntag, 23. Juni, um 18 Uhr in Hillesheim und am Montag, 24. Juni, um 19 Uhr in Trier.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort