Zu viel geredet und zu wenig gesagt

TRIER. Ein Abbild der Französischen Revolution mit russischer Musik aus dem 20. Jahrhundert - das ist eine schwierige Aufgabe. Vielleicht zu schwierig, wie sich an der Ballettproduktion "Die Flamme von Paris" im Trierer Theater zeigte.

Man geht ja mit positiven Erwartungen ins Trierer Theater. Darum war das Orchestervorspiel zur neuen Ballettproduktion "Die Flamme von Paris" fürs Hinhören allemal gut. Komponist Boris Assafjew hat im Jahr 1932 die Musikgeschichte bemüht und schreibt anfangs ganz im Stil der französischen Kompositionen um 1800, also zu Revolutionszeiten. Das klingt nicht schlecht, zumal Franz Brochhagen am Dirigentenpult auf Deutlichkeit und Prägnanz zielt und das Philharmonische Orchester auch in den schwierigen Trompetenpartien mit Klangglanz und solistischer Brillanz beeindruckt. Dann allerdings hebt sich der Vorhang, und die Probleme fangen an. Zwischen Marx und Mao, zwischen Robespierre und Lenin hat sich alles in Bildern und Statuen versammelt, was irgendwie mit Revolution zu tun hat. Sogar die Wende von 1989 ist im Graffitto präsent. Schon im ersten Bild wird deutlich, woran es in Sergey B. Volobuyevs Produktion mangelt: am zielbewussten Einsatz der theatralischen Mittel. Auch wenn Manfred Breitenfellners Ausstattung in den folgenden Szenen mit klaren, angenehmen Farben und sorgfältiger Auswahl von Requisiten glänzt - die Inszenierung bleibt überladen, will viel sagen und drückt am Ende nur wenig aus. Da wird eine überflüssige Rahmenhandlung nur angedeutet statt ausgeführt. Da springt eine Hauptfigur ins berühmte Delacroix-Gemälde "Die Freiheit führt das Volk an", und das Bild ist zu wenig präsent. Da bietet eine plumpe und lautstark instrumentierte Barockmusik-Nachahmung beste Möglichkeiten für die Parodie des "Ancien Régime", und die Szenen ertrinken in Belanglosigkeit. Überhaupt dominiert ein fataler Ernst. In einer der wenigen wirklich witzigen Auftritte hantiert Wladislav Solounov mit einer Kanonenkugel wie weiland Hans Albers als Münchhausen. Und nach der Pause entwickelt eine Guillotine-Szene mit wackelnden Köpfen und einem Henker in Harlekinmaske makabren Reiz. Sergey B. Volobuyev hat "Die Flamme von Paris" als klassisches Handlungsballett konzipiert. Aber für eine getanzte Geschichte mangelte es an Handlung, oder mit der choreographischen Umsetzung haperte es. So fällt die Inszenierung auseinander in statische Pantomine und aussagearmen Tanz. Und das trotz ansehnlicher Leistungen. Chor und Ballettensemble agierten achtbar. Neben Wladislav Solounov brillierten Denis Burda als Revolutionär Philippe, Veronika Zemlyakova als dessen Braut Jeanne und Natalia Burgos Macia in der Rolle der Künstlerin Mireille, die ins Delacroix-Gemälde aufsteigt. Danach erstirbt die Handlung endgültig, und übrig bleiben neckische Gruppenszenen, die aus dem Graben mit einer Sammlung musikhi-storischer Ladenhüter begleitet werden. Trotz des klangprächtigen Starts ermüdet die Komposition rasch. Assafjew liefert nur historische Klangfassaden, und das fast durchgängig ohne das Augenzwinkern, das Strawinskys Historisierungen so reizvoll macht. Es gibt so viel Schönes fürs Ballett. Warum nur diese Musik? Überschäumende Begeisterung lö-ste die Premiere nicht gerade aus. Der Schlussbeifall blieb artig und freundlich. Ein paar Fans jubelten laut. In der Pause hatten einige Besucher schon das Weite gesucht, und mancher Premieren-Abonnent war erst gar nicht erschienen. Weitere Vorstellungen am 6., 11., 15. und 19. März; Karten: 0651/718-1818.

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