Zu wenig Interesse am Menschen

Fast eine Pflichtlektüre für alle, die an guter Architektur interessiert sind: Die Luxemburger Fondation de l'Architecture et de l`Ingénierie hat den kleinen Architektur-Band "Points of View" herausgegeben.

 Luxemburg präsentiert Architektur zwischen Globalisierung und regionaler Identität. TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Luxemburg präsentiert Architektur zwischen Globalisierung und regionaler Identität. TV-Foto: Eva-Maria Reuther

Luxemburg. (er) Über Architektur in der Krise wird seit langem diskutiert. Gleichwohl haben die unzähligen Zusammenkünfte und theoretischen Erörterungen bislang offensichtlich kaum etwas bewirkt. Wer auf dem Luxemburger Kirchberg unterwegs ist, kommt sich eher vor wie in einer Musterhaussiedlung mit internationaler Ausrichtung, als in einem funktionierenden Stadtorganismus. Und auch diesseits der Grenze ist wenig von jenem architektonischen Grundsatz zu erkennen, nach dem gute Baukunst vor allem ein hohes Maß an alltäglicher Lebensqualität zu liefern hat und nicht nur spektakuläre Architektur, Denkmäler oder gewinnträchtige Investitionsobjekte. Höchste Zeit also, einmal mehr die Frage zu stellen, was gute Architektur sein soll. Ein schlichter schmaler Band mit reichem Innenleben versucht kurz und bündig eine Antwort zu geben. "Points of View" (Standpunkte) stellt neun renommierten Architekten und zwei Vertretern der Kunstszene vier Fragen zum Thema. Das Buch ist die Publikation zum Luxemburger Pavillon bei der Architektur Biennale 2008 in Venedig. "Ist Architektur Design, Logo oder Happening" lautet eine der Kernfragen.

Ob regionale Identität im großen Brei globaler Architektur unterzugehen droht, darum sorgt sich eine andere. Diskutiert wird der Bauboom als Chance oder Gefahr. Schließlich bleibt die Frage: Wer bringt die verbaute Umwelt wieder in Ordnung?

Zu Wort kommen der holländische Staatsbaumeister Jo Coenen, die Leipziger Architektur-Professorin und Chefredakteurin der Zeitschrift "Der Architekt", Ingeborg Flagge, der italienische Architekt Massimo Carmassi, sein österreichischer Kollege Heinz Tesar aber auch der Luxemburger Baumeister Léon Krier und der Direktor des Mudams, Enrico Lunghi. Die Antworten der Experten bezeugen einen kritischen Blick auf die eigene Zunft. Zu wenig Interesse am Menschen erkennt Flagge bei ihren Kollegen. Verödung der Städte und geistloses Kopieren bemängelt Carmassi. Einig sind sich allerdings alle darin: Architektur kann die Welt weder retten noch im Wesen verbessern, ist sie schließlich selbst ihr Abbild.

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