Zucker für den Affen

Trier · So nahe an Opas Operette war das Trierer Theater schon lange nicht mehr: In der Neuproduktion der "Fledermaus" findet sich so ziemlich alles, was die Mottenkiste hergibt. Freilich musikalisch rasant präsentiert und sängerisch exzellent auf die Bühne gebracht.

Trier. Sie ist unverwüstlich, diese Operette mit den Evergreens im Dutzend, mit der lustigen Handlung um betrogene Betrüger, um ein Ehepaar auf Abwegen, um Verwechslungen und Verwirrungen aller Art. Zehn Jahre nach der prägnanten Kindermann-Version mit dem starken Trierer Einschlag (Helmut Leiendecker spielte den Gefängniswärter Frosch) steht das opus magnum von Johann Strauß Sohn seit Samstag wieder als Quotenbringer auf der Agenda.
Was die Regie angeht, gibt es nicht viel zu sagen. Klaus-Dieter Köhler setzt die Operette so in Szene, dass bei denjenigen Zuschauern, die ihre erste Trierer Fledermaus vor 40 Jahren gesehen haben, der Eindruck entstehen muss, im Theater habe sich seither nichts Nennenswertes verändert. Alle Klischees des Genres werden lustvoll ausgespielt, kein Kalauer und Gag ist zu alt, als dass man ihn nicht noch unterbringen könnte.
Bunt und opulent


Viele bunte Kostüme (Carola Vollath), ein für Trierer Verhältnisse opulentes, gut bespielbares Bühnenbild (Wolf Wanninger), schmissige Ballett-Einlagen (Jean-Pierre Lamperti), ein paar Dialekt-Scherze, das alles routiniert angerichtet: Da hat man von Köhler schon frechere, frischere Arbeiten gesehen, mit pfiffigen Anspielungen und turbulenten Genre-Parodien. Der einzige, der wenigstens ansatzweise wider den Stachel der Konvention löckt, ist der Gefängniswärter Frosch von Peter Singer. Das ist nicht die fidele Saufnase à la Otto Schenk, sondern eine ziemlich gallige, doppelbödige Figur. Aber Singer ist eine Ausnahme. Vielleicht hat Köhler vor der Fledermaus, dieser Königin der Operette, einfach zu viel Respekt. Jedenfalls bleibt es diesmal bieder und berechenbar. Was dem Erfolg beim Premieren-Publikum keinen Abbruch tut.
Vielleicht stehen die Zuschauer auf das Boulevardeske. Aber für gutes Boulevard-Theater müsste auf der Bühne mindestens das gleiche Tempo herrschen wie im Orchestergraben, wo Victor Puhl ein echtes Fass aufmacht. Schon die Ouvertüre ist spritzig wie der vielfach zitierte Champagner, die Instrumentengruppen der Philharmoniker spielen sich die Bälle zu, dass es eine Freude ist. Was die Geschwindigkeit angeht, treibt Puhl alle Beteiligten an ihre Grenzen, ohne den gut aufgelegten Chor (auch in vielen kleinen Nebenrollen) und die Solisten zu überfordern. Gelegentlich kollidieren Wucht und Verve des Orchesters allerdings mit der Wortverständlichkeit.
Bei den Sängern ist der Abend durchweg gut besetzt. Norbert Schmittberg, einziger Gast der Produktion, ist als Gabriel von Eisenstein ein Souverän, mit präzisem Timing und kraftvoller Stimme. Joana Caspar zeigt als Ehefrau Rosalinde mit einem brillant vorgetragenen Czardas-Lied, warum Die Fledermaus als einzige Operette auch an den großen Opernhäusern besteht.
Stanek mit stärkstem Eindruck


Evelyn Czesla holt sich mit den Koloratur-Schmankerln des Stubenmädchens Adele ein übers andere Mal kräftigen Szenenbeifall ab. Den stärksten Eindruck des Abends hinterlässt Kristina Stanek in der Hosenrolle des Prinzen Orlofsky - nicht nur wegen des herrlich-dunklen Timbres ihrer Stimme, sondern auch, weil sie in dieser Inszenierung am sichersten auf dem schmalen Grat zwischen Ironie und Klamotte wandert. Ansonsten geben alle dem Affen Zucker: Pawel Czekala als Gefängnisdirektor, Svetislav Stojanovic als Schmalz-Tenor, Laszlo Lukacs als intriganter Notar, Luis Lay als schwachköpfiger Advokat, Angela Pavonet als Partygirl. Mit sichtlichem Spaß stürzt sich auch die stark beschäftigte Maske auf ihre Arbeit. Am Ende ausgiebiger Beifall. Da auf jedes Fragezeichen verzichtet wird, dürfte dem Erfolg der Produktion nichts im Weg stehen.
Weitere Aufführung sind am 9., 30. November; 6., 11., 17., 21., 27., 31. Dezember; 5., 25. Januar; 9., 14., 23. Februar; 9. März.

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