Trier Mehr als nur Musik in der Tufa

Trier · Zum 20. Mal hat die Tufa das Liedermacherfestival ausgetragen – zu Ehren des verstorbenen Initiators Walter Liederschmitt. 

  Sarah Lesch und Lukas Meister beim Liedermacherfestival in der Tufa.

Sarah Lesch und Lukas Meister beim Liedermacherfestival in der Tufa.

Foto: TV/Clemens Sarholz

Wer dem Abschlusskonzert des 20. Liedermacherfestivals gerecht werden will, der darf große Worte gebrauchen. Seit zwanzig Jahren spielt es in Trier eine einzigartige Rolle. Die Verdienste um diese Tradition sind heute wichtiger denn je. In einer Zeit der Smartphones lehrt das Festival Menschen, es wieder zu schätzen, wenn einer nichts auf der Bühne braucht, außer einem Instrument und seiner Stimme. Reinhard Mey sang es schon: „Da lob’ ich mir ein Stück Musik von Hand gemacht.“

In die Tufa konnte kommen, wer wollte, und der Musik lauschen, tanzen, Café trinken. Acht Künstler, Duos oder Bands, traten auf. Der Eintritt war frei. Zum Abschluss ging es in den großen Saal. Die ehemaligen Weggefährten des Initiators des Liedermacherfestivals, Walter Liederschmitt, machten den Auftakt für das Abschlusskonzert. Zeitweise war der Saal voll besetzt. Die fünf Stunden Spielzeit vergingen wie im Flug.

Ihr Auftritt, ihre Pannen: herrlich dilettantisch. Kein verbitterter Bühnenernst. Mehrmals musste ein Lied neu begonnen werden, weil es sich nicht richtig angefühlt hatte. Niemand musste von seiner Bühneneignung überzeugen. Chansonniers erster Güte. Mit ehrlichem Spaß an der Sache boten sie ihrem verstorbenen Freund Walter eine zärtliche Hommage. Der „wäre gerne auf dem Trierer Hauptmarkt beerdigt worden, hat leider nicht so geklappt“, sagte Florian Schausbreitner. Es folgte ein Liebeslied an die Stadt Trier, das vom verstorbenen Lokalpatrioten in moselfränkischer Mundart geschrieben worden war. Zwischendurch überzeugte Nils Thoma mit virtuosen Soli auf dem Sopransaxofon.

Sarah Lesch: eine kleine Frau mit großer Stimme. Die ist mal glasklar, dann wieder lasziv dreckig. Es zeigt sich, dass diese begnadete Sängerin und leidenschaftliche Lebenskünstlerin auch eine intelligente Geschichtenerzählerin ist. Geschichten aus dem Leben. Im Lied „Der Kapitän“ spricht sie über Stefan Schmidt. Er hat im Mittelmeer entkräftete, dicht in einem Schlauchboot zusammengedrängte Männer, die weder über Trinkwasser noch Nahrung verfügten, gerettet. Der Motor des Boots war ausgefallen. Dafür wurde er angeklagt und später freigesprochen. Sarah Lesch hat ein Album in Trier auf dem Hauptmarkt geschrieben. Weil sie sich so sehr in die Stadt verliebt hat, widmete sie ihr sogar ein Gedicht. Sebastian Krämers Schalk zeigt sich zwischen den Zeilen. In seine Ansagen mischen sich bissige Pointen. „Erzählt man den Menschen, man kommt aus Berlin“, dann müsse  man sofort die neusten Trends aus der Hauptstadt präsentieren. „Dann muss man dem Affen Zucker geben“.  Ein intellektueller Poet der in seinem Auftreten an eine Mischung aus Otto Waalkes und Bodo Wartke erinnert. Lässiges Klavierkabarett und Ansagen lassen zwischenzeitlich auch Einflüsse Georg Kreislers durchscheinen.

Mit Energie und unverwüstlicher Vitalität ging Christoph Weiherer ans Werk. Mit Wollust am Nörgeln, seiner Gitarre und seiner Stimme, stellt sich der „niederbayerische Brutalpoet“ (Süddeutsche Zeitung) der deutschen Diskursverödung entgegen. Dabei nutzt er das Mittel der Obszönität. Ein zweifelhaftes Vergnügen. Aber zweifellos ein Vergnügen. Politisch motivierte Lust am Anecken zeigt sich in jeder Geschichte: Ein Lied habe er Alexander Dobrindt gewidmet. 2010 habe er einen legendären Satz von sich gelassen. Sinngemäß: „Diejenigen, die gestern gegen Kernenergie und heute gegen Stuttgart 21 demonstrieren, müssen sich dann auch nicht wundern, wenn sie übermorgen ein Minarett im Garten stehen haben.“ Er habe sich Aussage „Dobrindt is a Volldepp“ juristisch absichern lassen. Eine Grauzone. „Wenn es nicht stimmen würde, dann wäre es eine Beleidigung. Aber weil es stimmt, ist es eine Tatsachenbekundung.“

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