Zur Geisterstunde tanzen die Ungarn Csárdás

Trier · Was tun mit einer Operette wie Kálmáns "Gräfin Mariza"? Klaus-Dieter Köhler inszeniert sie in Trier als Geisterstunde. Wenn\'s draußen Zwölfe schlägt, erwachen die Figuren in einer Art Operettenmuseum zu nostalgischem Leben. Premiere der Trierer Produktion ist am Samstag, 26. Januar.

Trier. "Ich liebe Operette", sagt Klaus-Dieter Köhler. Und wer den Regisseur, ehemals Dramaturg am Trierer Theater, im Gespräch erlebt, kann sicher sein - da inszeniert jemand Emmerich Kálmáns Operette "Gräfin Mariza" aus dem Jahr 1924 mit Herzblut. Für selbstherrliche Regie-Extratouren gab es ohnehin wenig Chancen; Bühnenbild und Kostüme wurden aus Darmstadt gekauft, und Köhler hatte die nicht unbedingt glanzvolle Aufgabe, in diese Optik hinein zu inszenieren. Da sei auch etwas Demut gefragt, sagt er. Wie gut, dass das Bühnenbild allgemein gehalten ist - "darin könnte man auch eine Barockoper inszenieren", heißt es aus dem Sängerensemble.Statt an der Barockoper orientiert sich Köhler allerdings an Ben Stillers Film "Nachts im Museum". Auch in Köhlers "Mariza" werden zur Geisterstunde die ausgestellten Figuren aktiv, was signalisieren soll: Gerade die Operette nach dem (verlorenen) Ersten Weltkrieg ist meist ein nostalgischer Traum. Und obwohl Träume oft sprachlos sind - der Regisseur und sein Dramaturg Peter Larsen setzen auch auf die Dialoge und distanzieren sich damit vom Stimmungstheater: "Die Zuschauer sollen wissen, was passiert." Joongbae Jee, seit November erster Kapellmeister in Trier und Dirigent der Produktion, ergänzt: "Gerade bei den Melodien, die K´álma´´n immer wieder aufgreift, hilft dem Dirigenten der Anschluss an den Dialog." Dann könne er den Melodie-Wiederholungen andere Akzente, andere Farben mitgeben. Denn das gehört auch zur Wahrheit über die "Mariza": Kálmán hat es geschafft, aus bestenfalls einem halben Dutzend zündender oder sentimentaler Melodien eine Erfolgsoperette zu zimmern.Schloss in Transsylvanien

Die allerdings ist multistilistisch und damit erstaunlich zeitgemäß. Gutsbesitzer Zsupán verbreitet ungarische Operettenseligkeit. Die Walzer ergehen sich in Wiener Nostalgie. Aber in modernen Tänzen wie dem Foxtrott melden sich auch die "roaring twenties". Vielleicht steckt in diesem Mix sogar politischer Hintersinn. Das Schloss der Gräfin Mariza steht nämlich in Transsylvanien - wo zwischen den Weltkriegen Ungarn, Deutsche und Rumänen ein nicht immer konfliktfreies Nebeneinander praktizierten. Natürlich wohnt dort bekanntlich auch Graf Dracula. Aber den erspart die Regie sich und den Zuschauern. Dass Vampire und Fledermäuse die Trierer Operettenszenerie bevölkern, muss also niemand befürchten.Premiere am Samstag, 26. Januar, um 19.30 Uhr. Weitere Vorstellungen am 1.,3., 5., 10., 16., 20. und 23. Februar. Mit Joana Caspar (Mariza), László Lukas (Fürst Populescú), Luis Lay (Zsupán), Evelyn Cesla (Lisa). Klaus-Dieter Köhler (Regie), Joongbae Jee (musikalische Leitung).Extra

… Joongbae Jee Herr Jee, Sie kommen aus Südkorea. Ist die deutsch-österreichische Operette für Sie da nicht Lichtjahre weit weg? Jee: Europäische Musik ist in Korea recht verbreitet, aber die Operette ist es noch nicht. Wenn Sie am 26. Februar Emmerich Kálmáns "Gräfin Mariza" dirigieren, betreten Sie also Neuland? Jee: Für mich persönlich ist das nicht ganz neu. Ich habe an der Musikalischen Komödie der Oper Leipzig einen Mentor speziell für die Operette, er heißt Roland Seiffarth und ist Ehrendirigent der Musikalischen Komödie. Ich habe mit ihm die Musik von Kálmán und Robert Stolz studiert. Was tun Sie, um die Mischung aus Schwung und Nostalgie in der "Mariza" herüberzubringen? Jee: Wir werden gute Laune verbreiten, auf der Bühne und im Orchester. Und natürlich arbeiten wir alle an dem Ungarischen und dem Wienerischen in Kalmans Operette. Außerdem: Zwischen ungarischem Stil und koreanischer Traditionsmusik gibt es erstaunliche Ähnlichkeiten. mö Extra

Joongbae Jee, erster Kapellmeister und Stellvertreter des Generalmusikdirektors am Theater Trier, wurde 1982 in Seoul/Südkorea geboren. Nach einer musikalischen Ausbildung in seiner Heimat studierte er Dirigieren in Mannheim bei Klaus Arp und Georg Grün. Jee war Finalist beim 5. Deutschen Hochschulwettbewerb Orchesterdirigieren 2011. 2012 gewann er den "Deutschen Operettenpreis für junge Dirigenten". In jüngster Zeit war er an der Oper Leipzig, am Theater Hagen, beim Kurpfälzischen Kammerorchester oder bei den Thüringer Symphonikern Saalfeld-Rudolstadt, zu Gast. mö

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