Zwei hinreißende alte Schachteln

Luxemburg · Mehr Film- und Fernseh-Größen als ein gewöhnlicher "Tatort" bietet das Grand Théâtre Luxemburg für die schwarze Komödie "Arsen und Spitzenhäubchen" auf. Der darstellerische Glanz der prominenten Besetzung sorgt dafür, dass die Klamotte aus den 40er Jahren auch heute gegen die geniale Verfilmung von Frank Capra bestehen kann.

 Mortimer Brewster (Uwe Bohm) versucht verzweifelt, den Wahnsinn der Schwestern Martha und Abby (Eva Mattes und Angela Winkler, von links) unter Kontrolle zu halten. Foto: Jim Rakete

Mortimer Brewster (Uwe Bohm) versucht verzweifelt, den Wahnsinn der Schwestern Martha und Abby (Eva Mattes und Angela Winkler, von links) unter Kontrolle zu halten. Foto: Jim Rakete

Luxemburg. Regisseur Ulrich Waller und sein Hamburger St.-Pauli-Theater haben die Geschichte um zwei ebenso liebenswerte wie mörderische Seniorinnen dahin zurückgebracht, wo sie herkam: auf die Theaterbühne. Die Version hält sich eng, aber nicht sklavisch an die legendäre Filmfassung, wirkt im Tempo allerdings etwas betulicher.
Das wird freilich mehr als wettgemacht durch die Besetzung, die das kleine Hamburger Haus für die Luxemburger Auftritte komplett mitgebracht hat. Angela Winkler und Eva Mattes, zwei ganz Große der deutschen Schauspielkunst, geben Abby und Martha, zwei hinreißende alte Schachteln, die es sich zur barmherzigen Aufgabe gemacht haben, einsamen älteren Männern mittels Gift im Holunderwein zur ewigen Ruhe zu verhelfen.
Da braucht es keine kunstvollen Maskenbildner, um das Duo (in der Realität 68 und 57 Jahre alt) in Greisinnen zu verwandeln, eine begnadete Körpersprache nebst faszinierend genauer Gestik und Mimik reichen vollkommen, um die skurrilen Geschwister Brewster lebendig werden zu lassen.
Da macht es nichts, wenn alle Gags und Wendungen aus dem Film bekannt sind und der Überraschungsfaktor jenem einer Weihnachtsansprache der Bundeskanzlerin entspricht.
Gerhard Garbers mimt mit sichtlichem Vergnügen den Gaga-Onkel, der sich für Präsident Roosevelt hält und die von seinen Schwestern produzierten Leichen als vermeintliche Gelbfieberopfer im Keller vergräbt, wo er den Panama-Kanal vermutet. Christian Redl darf als sadistischer Bruder Jonathan alle Bösewicht-Register ziehen - nur dass der Berufsverbrecher anders als im Film bei seinen vielen tarnungsbedingten Gesichtsoperationen nicht als Frankenstein-Double geendet hat, sondern als Hitler-Verschnitt.
Den schwierigsten Job hat fraglos Uwe Bohm in der Rolle des einzigen Normalen, der verzweifelt versucht, den Irrsinn seiner Verwandtschaft einigermaßen unter Kontrolle zu halten, ohne sie zu verraten. Cary Grant hat diesen Mortimer Brewster unnachahmlich gespielt, als jungen Mann, der von einer Verlegenheit in die andere stürzt, weil sein amerikanisch-biederes Familien-Idyll sich als Ansammlung von Wahnsinn entpuppt - und seine Versuche, die bürgerliche Fassade aufrechtzuerhalten, das Chaos beständig vergrößern.
Grants brüchige Eleganz geht Bohm ab, das macht seine Rollengestaltung zunächst gewöhnungsbedürftig. Aber er wächst in diese Schlüsselfigur hinein, die die Qualität des Ursprungsstückes von Joseph Kesselring ausmacht, jene Fallhöhe, die es von einer "nur lustigen" Boulevard-Komödie unterscheidet.
Ausverkauftes Haus, amüsiertes Publikum.

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