Zwei Reger, ein Berliner, viele Zuhörer

Das Interesse des Publikums an der renovierten Orgel der Abtei Himmerod ist immens. Auch beim jüngsten Konzert war das große Gotteshaus so gut besucht, das viele Zuhörer im akustisch für Orgelkonzerte nicht unbedingt vorteilhaften Hauptschiff Platz nehmen mussten.

Himmerod. (gkl) Zu Gast war diesmal der Berliner Kirchenmusiker Jörg Strodthoff, der in den vergangenen Jahren schon häufig am Spieltisch der Klais-Orgel gesessen hatte. Die Werke, die Strodthoff als Programm in seinem Reisegepäck hatte, könnte man flapsig als "dicke Brocken" bezeichnen. Häufig hört man in Organistenkreisen: "Wer einen Reger spielt, der ist verrückt. Wer zwei Reger spielt, dem ist nicht mehr zu helfen." Wenn da etwas dran ist, dann ist Strodthoff nicht mehr zu helfen: Mit der "Phantasie Opus 52, Nr. 2", über den Choral "Wachet auf, ruft uns die Stimme" und "Phantasie und Fuge über ,Bach´s' Opus 46" hatte er zwei gewaltige Werke des bayerischen Meisters für die Eifel einstudiert. Interpretationen mit Charakter

Ausdrucksstärke und Virtuosität, tiefes Musikverständnis und technisch absolute Souveränität verlangen diese Kompositionen, wenn sie so großartig erklingen sollen, wie sie von Reger gedacht sind. Strodthoff zeigte sich als ein Künstler, der über all diese verlangten Fähigkeiten verfügte. Seine Interpretationen hatten Charakter, wurden den Intentionen gerecht. Dass der Wohlklang durch einige Verstimmungen im Instrument und durch manchmal etwas arg träge Registerwechsel getrübt wurde, ist nicht ihm anzulasten. Hier dürfte zum einen die unbeständige Witterung, zum anderen sein Assistent verantwortlich zeichnen. Neben Reger hatte Strodthoff mit Felix Mendelssohn Bartholdys "Ouvertüre zu ,Athalie'", dem Vorspiel zu "Parsifal" von Richard Wagner und dem "Intermezzo, Opus 117, Nr. 2, für Klavier" von Johannes Brahms noch drei Transkriptionen vorbereitet. Technisch erklangen auch diese Werke tadellos. Musikalisch allerdings muss man doch an der Sinnfälligkeit dieser Übertragungen, zumindest wenn man eine Orgel wie die in der Abteikirche hat, zweifeln. Die Dynamik, die innere Spannung, die diese großen Orchesterwerke aufbauen, kann über das Pfeifeninstrument moderner Bauart mit der klanglich doch recht steilen Registeranordnung nicht überzeugend dargestellt werden. Hier konnte Strodthoff nicht überzeugen. Trotzdem war der begeisterte Applaus berechtigt.

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