Weltkulturerbe Zweiter Teil der Volksfreund-Serie "Unser Weltkulturerbe" - Igeler Säule: Ein soziales Medium?
Trier · Die öffentliche Selbstdarstellung ist kein Phänomen der Neuzeit. Schon die alten Römer wussten sich zu präsentieren. Das zeigt auch die Igeler Säule, ein Grabmal, das seit 30 Jahren zum Unesco Weltkulturerbe gehört. Statusupdates mal anders.
Tiefstapeln war ganz sicher nicht im Sinne der Familie der Secundinier. Wie wohlhabend die Tuchhändler waren, das durfte gerne jeder wissen. In Stein gehauener Ausdruck dieser Zeigefreude ist die Igeler Säule. Die Familie ließ sie im Jahr 250 nach Christus als Grabdenkmal errichten.
Mit einer Höhe von 23 Metern gilt sie als das höchste römische Grabdenkmal nördlich der Alpen. Und sie steht noch an ihrem Original-Standort, mitten in Igel, einem Ort etwa neun Kilometer südwestlich von Trier. Heute wie schon zu Zeiten ihrer Erbauung führt eine vielbefahrene Straße an dem Monument vorbei.
Der Standort war sicher nicht zufällig gewählt. "Wir vermuten, dass die Familie in der Nähe gelebt hat", sagt Marcus Reuter, Direktor des Landesmuseums Trier. Forscher gehen davon aus, dass die Secundinier eine Villa in einer Siedlung etwa ein bis zwei Kilometer von der Säule entfernt bewohnten. Nach römischem Recht war es verboten, Grabdenkmäler innerhalb der Siedlungen zu errichten. "Also hat man an den Stadtrand gebaut, möglichst am Rande der großen Straßen", erklärt Reuter.
Die Straße entlang des Moselufers war schon in römischen Zeiten sehr verkehrsreich. Wer etwa aus Richtung Metz nach Trier wollte, der kam am heutigen Igel vorbei. Das bedeutete viel Publikumsverkehr. Der Standort und die detailreiche Gestaltung mit vielen Bildern aus dem Leben der Familie sind wohl der Grund, dass einige Forscher die Säule mit einem sozialen Medium vergleichen. "Es war auf jeden Fall ein Mittel zur Kommunikation mit der Umwelt", sagt Reuter. Waren die Römer ihrer Zeit also voraus? Das Grabdenkmal als frühe Facebook-Seite oder gar ein antiker Instagram-"Account"? .
Das Profilbild: Auf der Vorderseite prangt es: das Familienporträt. Die Brüder Secundinius Securus und Secundinius Aventinus posieren hier mit einem Sohn des Securus. Darüber in den Stein gemeißelt die Ahnengalerie, Bilder von verstorbenen Verwandten in ovalen Rahmen. So groß ist das Bild, dass schon von weitem sichtbar war, wer sich hier ein Denkmal gesetzt hat. "Die Figuren sind so angelegt, dass sie für Betrachter in einiger Entfernung von der Säule normalgroß aussahen", erklärt Reuter. Im Gegensatz zu heute verlief die Straße einige hundert Meter entfernt, damit trotzdem alles gut zu erkennen war, mussten die Bilder also umso größer ausfallen. .
Werbung fürs Geschäft: Ein Auftritt bei Facebook, Instagram und Co. ist für die meisten Unternehmen heute völlig normal. Es sind gute Plattformen, um den Kunden das neue Produkt nahezubringen oder das Image etwas aufzupolieren. Doch die Secundinier beweisen: Schon die Römer kannten sich mit Werbung bestens aus. In mehreren Reliefs wird der Arbeitsalltag im Tuchhandel gezeigt. Selbst eine Verkaufsszene ist zu sehen: mehrere Personen schauen sich eine Stoffbahn an, während auf dem Tisch nebenan ein Haufen Münzen bereitliegt. Dazu kommen mehrere Bilder, die den Transport von Stoffballen in fremde Gefilde zeigen - das Tuch als Trierer Exportgut. Die Botschaft ist klar: Unser Geschäft floriert.
Ein bisschen Luxus muss sein: Die Statussymbole mögen sich durch die Epochen hindurch verändert haben, doch eines bleibt offenbar immer gleich: Wer hat, der hat und zeigt es gern. So ist es wohl auch zu erklären, dass eines der Bilder auf der Igeler Säule Sklaven bei der Arbeit zeigt. Fünf sind es, und sie verrichten ihren Dienst offenbar in der Küche der Familie: Das Relief zeigt sie beim Spülen und Kochen. Sklaven waren der Besitz ihres Herren und damit Statussymbole. Je mehr ein Haushalt besaß, desto reicher war er. Wie reich die Secundinier tatsächlich waren, ist nicht überliefert. "Man kann aber davon ausgehen, dass sie in Trier zu den oberen Fünfhundert gehörten", sagt Reuter. .!Die Botschaft der Bilder scheint klar: Wir sind reich und erfolgreich. Was die Gestaltung der Bilder angeht, waren die Trierer übrigens Trendsetter. Denn so realistische Darstellungen gab es sonst kaum im römischen Reich. "Es sind Bilder überliefert, auf denen Hasenscharten und Halbglatzen zu sehen sind", erzählt Reuter. In Rom setzte man dagegen eher auf idealisierende Darstellungen - Photoshop lässt grüßen.Extra Anschauen
Die Igeler Säule steht mitten in Igel an der B.49 neben dem gleichnamigen Hotel. Das Denkmal ist ganzjährig zugänglich, Eintritt wird nicht erhoben. Weitere Informationen zur Säule bieten Broschüren, die unter anderem in der Gemeindeverwaltung gleich nebenan erhältlich sind. Eine Replik der Säule steht im Landesmuseum in Trier - derzeit aber von einem Gerüst verhüllt.Extra Sanieren
Die Igeler Säule gilt als sehr gut erhalten. Das ist vermutlich einem Irrtum zu verdanken. Im Mittelalter gingen die Trierer offenbar davon aus, auf der Säule sei die Vermählung der heiligen Helena zu sehen. So bekam die Säule unschätzbaren Wert für das christliche Mittelalter, schließlich ist Helena die Mutter Konstantins, der wiederum wesentlich zum Aufstieg des Christentums beitrug. Damit die Säule weitere Jahrhunderte übersteht, wird bis heute immer daran gearbeitet. Zwei Jahre lang, von 2013 bis 2015, ist die Igeler Säule zuletzt rundum erneuert worden. Zu tun gab es einiges: Auf der Oberfläche hatten sich schwarze Krusten gebildet, die mithilfe eines Lasers entfernt wurden. Ein paar Löcher im Putz wurden mit Spezialmörtel aufgefüllt. Treppen, Mauern und Geländer rund um die Säule wurden erneuert und der Platz neu bepflanzt. 270.000 Euro haben die Arbeiten gekostet, die das Land trug. Die Ortsgemeinde Igel hatte sich an der Umfeldgestaltung beteiligt.Gewinnspiel
Jede Woche gibt es an dieser Stelle ein Gewinnspiel zu unserer Weltkulturerbeserie -
Heute lautet unsere Frage: Wann erhielten Triers Römerbauten den Weltkulturerbestatus?
a)1986
b)1996
Beantworten Sie folgende Frage zu unserer Serie "30 Jahre Weltkulturerbe" … und gewinnen Sie mit etwas Glück einen von drei Einkaufsgutscheinen im Wert von 50 €. Einfach unter 0137 822666-5 anrufen (50 Cent pro Anruf aus dem deutschen Festnetz/Mobilfunk abweichend) und das richtige Lösungswort (a oder b) nennen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt und in der nächsten Woche hier veröffentlicht. Teilnahmeschluss ist Sonntag, 23 Uhr.