Zwischen Bass, Licht und Drogendealern

Sie ist ein Zeichen für gute Laune, für ein großes gemeinsames Miteinander, für Frieden. Aber auch für ein Drogenproblem der Gesellschaft, das an einem Wochenende im Jahr im sonst so beschaulichen Hunsrück an den Tag kommt - und erschreckt: Die Nature One, die am Wochenende in Kastellaun über die Bühne ging.

Kastellaun/Wüschheim. Ohne Frage: Die Nature One ist einzigartig. Ein Musikfestival auf einer ehemaligen Atomraketenbasis mitten im ländlichen Hunsrück. Alles dreht sich um elektronische Musik, um dröhnende Bässe, monotone Beats, schrillende Töne und alles was dazu gehört: Musikfans, die mit Pferdekopfmasken, beleuchteten Gasmasken, neongelb leuchtenden Overalls und grünen und roten Kontaktlinsen auf ihresgleichen und auf die Crème de la Crème der internationalen DJ-Szene treffen. Dazu kommen die unverkleideten Otto-Normal-Besucher, die sich mehr oder weniger abgedreht zu der Musik bewegen.

Und Leute, die jede Menge illegaler Drogen verkaufen, kaufen oder selbst nehmen. Zwischen dem fast schon unglaublich friedlichen Miteinander von 55 000 Besuchern sorgen sie (vor allem bei nüchternen Partygästen) für Aufsehen. Entweder sie gehören zum passiven Part, laufen mit riesigen, aufgerissenen Augen durch die Menge, schauen einen an und verhelfen jedem dadurch zu echten Angstgefühlen - diese Blicke erinnern an einen Horrorfilm -, oder noch schlimmer: sie gehören zum aktiven Part. Diese Menschen, meist mit ähnlich großen Augen und angsterregenden Blicken, sprechen Leute direkt an: "Na, und was geht bei euch so ab?" Wer sich nicht auskennt, weiß damit wenig anzufangen und macht sich schnell sorgen, ob er nun aufpassen muss, nicht ausgeraubt zu werden oder Schlimmeres. Erleichtert ist man, wenn man registriert: Der wollte einem wohl nur "etwas" verkaufen.

Genau das erschreckt: Man muss nicht einmal suchen, um während der Nature One an Drogen zu kommen, man wird selbst im erwähnten Otto-Normal-Outfit direkt angesprochen. Ob die Nature One ein Drogenproblem hat? "Nein. Die Gesellschaft hat ein Drogenproblem", sagt Nikolaus Schär, Chefveranstalter. Aber es gibt eben noch mehr als Drogen bei Nature One. Wesentlich mehr. Die Atmosphäre, die Leute, die Musik. "Wir sind jetzt im dritten Jahr hier und heute ist es mit Abstand am besten", sagen Julia Stein (22) aus Maring-Noviand und Madeleine Gribat (22) aus Mülheim (beide Kreis Bernkastel-Wittlich). "Die Nature ist einfach immer wieder total gut." Madeleines Freund, Michael Schmitz, 29, aus Hennef ist das erste Mal auf der Pydna. "Nature, was ist das denn?', hab ich gefragt, als Madeleine gefragt hat, ob ich mitkomme. Ich habe hiervon noch nie gehört. Aber hier kann man öfter hinkommen."

Etwas Vergleichbares kenne er auch aus dem Raum Köln-Bonn und dem Ruhrgebiet nicht. "Wir haben jetzt den Christopher Street Day, und bisher eben ein paar mal die Loveparade, aber sonst ist das in der Größenordnung einzigartig", sagt er. Loveparade: Ob sie bedenken hatten, nach der Katastrophe zur Nature One zu kommen? "Nein, eigentlich nicht", sagt Julia. "Aber als es einmal angefangen hat zu regnen und ich mich in einem der Tunnel unterstellen wollte, kamen auf einmal Hunderte oder Tausende da reingeströmt. Da wurde es ganz schnell super eng. Und in dem Gedränge habe ich dann wirklich an die Loveparade gedacht und bin ganz schnell wieder raus." Die Massenpanik mit 21 Toten vor einer Woche in Duisburg sei aber Schuld der Veranstalter gewesen. "Eine scheiß Organisation!", sagen die beiden jungen Frauen. "Hier ist aber alles super."

Sie und viele der 55000 Besucher werden wiederkommen. Denn die Nature One 2010 hat gezeigt, dass auch nach einer Loveparade die elektronische Musik nicht merklich an Zuspruch verliert. Nature One hält die Fahne der elektronischen Musik hoch - ganz nach dem diesjährigen Motto: "The flag keeps flying - Die Flagge weht weiter".

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