Trier. (mö) Vordergründig ist die Geschichte nicht gerade aufregend: Ein Schriftsteller reist mit seiner Frau per Bus von Trier nach Paris, liest dort aus seiner Erzählung "soleil" (Sonne) in deutscher und französischer Sprache, besichtigt die obligaten Sehenswürdigkeiten und fährt wieder Richtung Trier. Das ist die dürre Handlung in Walter Schenkers Roman "Engelsstaub", der 1986 erschien und kürzlich wieder aufgelegt wurde. Doch Schenker konzentriert sich nicht auf dieses spärliche Gerüst, sondern zielt auf die Vielzahl von Reflexionen, Emotionen und Assoziationen, die sich auf der Parisfahrt im Innern des Autors abspielen - ein Egotrip in die Hauptstadt des 19. Jahrhunderts.

Die aus der Hippieszene stammende und mittlerweile selber der Alltäglichkeit preisgegebene Vokabel "Trip" mit ihrer Verbindung zu Drogen und Rausch ist einer der zentralen Begriffe in "Engelsstaub". Walter Schenker hat sich in darin einer Schreibweise bedient, die den "automatischen Niederschriften" des Surrealismus nahe steht. Für die war der Drogeneinfluss nicht Bedingung, aber auch nicht hinderlich. Und wie in einem Panorama breitet sich in dieser subjektiven, auf Bewusstseinserweiterung basierenden und manchmal rauschhaften Sicht allerlei von den Zeitumständen der 1980er Jahre aus - Franc statt Euro, Grenzkontrollen, mühsame Versuche grenzüberschreitender Kulturarbeit. "Wir hatten in Trier damals das Gefühl, am Ende der Welt zu sein", sagt der Autor. Das ist die zeithistorische Dimension dieses Romans. Heute, nachdem Rausch und Collage ihre Faszinationskraft verloren haben, ist es vielleicht die interessanteste.

"Engelsstaub" ist der achte Band der auf zehn Bände geplanten Schenker-Werkausgabe bei Books on Demand in Norderstedt. Das Buch ist über jede Buchhandlung zu beziehen und kostet 26,80 Euro. Bis 2012 folgen "Am andern Ende der Welt" und "Solothurner Geschichten".