Zwischen Klamauk und Kantate

Trier · Die Blechbläser-Formation Mnozil Brass hat am Freitag in Trier ein ungewöhnlich packendes Klamauk- und Klangerlebnis abgeliefert. Vor über 1000 frenetisch applaudierenden Zuschauern zeigten die sieben Österreicher eine Inszenierung jenseits der musikalischen Konventionen.

Trier. Blasmusik ist seit einiger Zeit wieder schwer angesagt, und zwar in der knalligen Partyvariante. Auch die Macher des Mosel Musikfestivals wissen um diesen Trend. Dem fügt die österreichische Formation Mnozil Brass (benannt nach einem Wiener Gasthaus, in dem die Musiker vor gut 20 Jahren zum ersten Mal miteinander spielten) eine weitere Facette hinzu. Und wie!
Unter einem strahlendblauen Sommerhimmel sind über 1000 Zuschauer aus ganz Deutschland, Luxemburg, Belgien und Frankreich in den Innenhof des Kurfürstlichen Palais\' in Trier gekommen - die Truppe hat mittlerweile Kultstatus.
Das Panoptikum der sieben Typen zwischen Spießer im Banker-Habit und bunt kostümiertem Clown, bläst von der ersten Minute an zum Angriff. Sofort wird klar, dass dies nicht einfach ein Konzert ist, sondern ein musikalisches Gesamtkunstwerk für - wie sie selbst sagen - "angewandte Blechmusik zum Sehen und Riechen". Und zum Hören, natürlich: Klassik, Volksmusik, Pop, Swing und Funk werden bunt gemischt, die Performance changiert zwischen Slapstick, Comedy, Akrobatik und Pantomime. Dabei beweist Mnozil Brass einen bizarren österreichisch-angelsächsischen Humormix, der einzigartig ist. "Wie albern", sagt eine distinguierte Dame beim Pausen-Sekt, das beschreibt die erste Konzerthälfte ganz gut. Spöttisch persifliert die Band die Militärkapelle oder Rocky-Filme (in Zeitlupe) genauso wie olympisches Synchronschwimmen im Trockenen.
Wer aber gedacht hätte, dass der gebotene Klamauk eine eventuell mangelnde musikalische Qualität kompensieren soll, sieht sich spätestens im zweiten Teil getäuscht. Hier sind Meister am Werk, die ihre Trompete, Posaune oder Tuba mit einer lässig-präzisen Attitüde in allen Lagen beherrschen, zwischendurch wird a-cappella gesungen - wunderbar! Eine funkige Version von Stevie Wonders "Superstition" zeigt die Spielkunst der sieben Bläser und bringt Schwung in die Zuschauer. In den ersten Reihen sind sie hautnah dabei, sehen jeden Schweißtropfen fliegen und jede Grimasse en détail, an den Seiten und in den hinteren Reihen kommt leider nicht alles so hautnah an. Wenn die Band aber ihren Posaunisten in Trance versetzt und dieser - quasi schwebend und stocksteif - trotzdem weiterspielt, hat das gesamte Auditorium einen Mordsspaß. Fast ohne Ironie kommt der Schlussteil aus, bei "My Way" (Sinatra), "Bohemian Rhapsody" (Queen) oder "Nobody Does It Better" von Carly Simon schmettern die Trompeten und klagen die Posaunen, der Gesang ist anrührend. Das geht unter die Haut und in die Beine, wer textsicher ist, singt leise mit. Dann werden Wunderkerzen entzündet, unter dem tiefblauen Nachthimmel zwischen Basilika und Palais wirkt das fast gar nicht kitschig. Frenetischer, stehender Applaus zum Abschluss.

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