Zwischen Wahnwitz und Gottvertrauen

MERZIG. Gleich mit drei Großproduktionen wartet die Merziger Zeltoper in diesem Sommer auf, nebst Open-Air-Konzert und Kammermusikwochen. Ein Gala-Programm zur Feier des zehnjährigen Bestehens, von Brecht/Weill über Rock-Oper bis Mozart.

"Was wir hier machen, geht nur mit einer Mischung aus Wahnwitz und Gottvertrauen." Man glaubt, selbst durchs Telefon die Schweißtropfen auf der Stirn von Joachim Arnold zu sehen. Der Intendant, Chefdirigent und Eigentümer von "Musik&Theater Saar" hat im Frühjahr immer Stress. Aber in diesem Jahr stuft er seine Vorhaben als "völlig verrückt" ein. Ab und zu muss er den Kopf frei schaufeln, denn die Proben zur "Dreigroschenoper", die er dirigiert, haben schon begonnen. Am 19. Mai ist Premiere im Opernzelt - zum ersten Mal seit langem traut sich Merzig wieder an eine Frühjahrsproduktion. Regie führt der Franzose Christian Colin, dessen Trierer "Don Juan" ebenso wie die Studio-Uraufführung "Die Umarmung des Skorpions" in guter Erinnerung ist. Das gilt auch für Bettina Kehle, früherer Publikumsliebling und Trägerin der ersten "Trierer Theatermaske". Sie spielt die Lucy in Brechts Meisterwerk um den Edelgang-ster Mackie Messer. Kaum schließen die Spelunken der Londoner Halbwelt die Pforten, wird Neapel zum Schauplatz im Opernzelt. Nach dem Motto "Zwei Männer, zwei Frauen, vier Möglichkeiten" lotet Mozarts "Così fan tutte" ab dem 4. August die Freuden und Risiken des Partnertauschs aus. Regie führt Georg Köhl, vor Jahresfrist unter spektakulären Umständen in Pforzheim entlassener Intendant, die musikalische Leitung hat Bernstein-Schüler Dorian Wilson. Auch hier darf sich das Publikum aus der Region Trier auf bekannte Gesichter freuen: Tobias Scharfenberger singt den Guglielmo, Christina Clark übernimmt die Rolle der Despina. Den prominentesten Namen bietet Joachim Arnold für das Klassik-Open-Air am Losheimer See (10. Juli) auf: Belcanto-Superstar Lucia Aliberti gibt sich die Ehre, eine Besetzung, die verspricht, dass nicht erst zum traditionellen Finale ein Brillant-Feuerwerk entfacht wird. Aber so richtig nahe ans Feuer begeben sich die "Merziger" mit ihrer risikoreichsten Produktion: Am 2. Juni soll die Rock-Oper "Gormenghast" in der Gebläsehalle des Weltkulturerbes Völklinger Hütte Premiere feiern. Um das symbolträchtige Fantasy-Stück ranken sich die Legenden. Irmin Schmidt, Kopf der Kölner Siebziger-Jahre-Kultband "Can", komponierte 1998 das Werk um Geisterschlösser, Mythen und Verwandlungen. Eine "Mischung aus wattiertem Barock, Beatles-Sound, rhythmisch treibendem Groove und grellem Pop" lobte die "Opernwelt" seinerzeit nach der Uraufführung in Gelsenkirchen. Um die Großproduktion mit Elementen aus Oper, Musical, Rock und Tanztheater zu realisieren, haben Arnold und Regisseur Andreas Baesler starke Partner gesucht und gefunden: Das "Grand Théatre" Luxemburg und die Völklinger Hütte sind als Spielorte mit von der Partie. Und wenn, wie erhofft, EU-Kulturmittel fließen, soll die Produktion auch im französischen Lille gezeigt werden und dann auf Tournee gehen. Seit dem Herbst liegen die Anträge bei den Eurokraten in Brüssel, Bescheid gibt es aber erst Ende April - so produziert Arnold erst mal auf eigenes Risiko. Was die Schweißtropfen-Produktion weiter antreiben dürfte. Karten: 0681/992680 Info: www.musik-theater.de

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