Essen in Luxemburg Ein Gericht, das Stadtgeschichte geschrieben hat

Esch-sur-alzette · In Esch-sur-Alzette gibt es eine besondere lokale Spezialität: Die Stadt hat mit ihren Pizzabäckern eine eigene Pizza kreiert. Wie die „Escher Pizza“ schmeckt, warum sie den Geschmack des Luxemburger Südens so sehr verkörpert und wo man sie probieren kann.

 Die Escher Pizza gibt es jetzt ganz offiziell in Esch-sur-Alzette.

Die Escher Pizza gibt es jetzt ganz offiziell in Esch-sur-Alzette.

Foto: Stadtverwaltung Esch-an-der-Alzette

Wie schmeckt Luxemburg? Wie Bouneschlupp und Gromperekichelcher? Oder eher wie Seezungenfilets Grand-Ducal und Kiermes-Crème (Île flottante) – oder gar wie Kuddelfleck? Was das leckerste Nationalgericht des Großherzogtums ist, da hat wohl jeder Ansässige und jede Luxemburgreisende eine ganz persönliche geschmackliche Präferenz. In dieses multikulturelle Ratatouille der Luxemburger Küche, in der sich unter anderem viele Einflüsse der französischen und italienischen Kochtraditionen treffen, geben die Escher nun eine weitere Zutat hinein. Oder vielmehr gleich ein ganzes Gericht: die Escher Pizza. Auf ihr kommt zusammen, was für manche vielleicht nicht zusammen passt, aber doch gut für das Minett steht, jener so einzigartig unverwechselbaren Region mit der roten, erzhaltigen Erde im Süden. Und vor allem für Esch-sur-Alzette.

Wer eine Escher Pizza bestellt, bekommt den italienischen Nationalsnack mit Salami, Knoblauch und Anchovis kredenzt. „Eine auf den ersten Blick gewagte Kombination, aber in dieser Kombination sehr gut. Das sagen uns auch Leute, die diese Zutaten sonst nicht so mögen“, berichtet Luc Ewen, Sprecher der Abteilung für Wirtschafts- und Tourismusförderung der Stadt Esch, über die größtenteils sehr positiven Rückmeldungen.

Die Vorliebe für diese Zutatenkombination war in der größten Stadt im Süden des Landes offenbar schon längst verbreitet. „Die Escher Pizza ist eine ,Diavola‘ mit Knoblauch und Anchovis, welche die Escher in den Pizzerien so schon oft bestellt haben, ohne dass sie einen eigenen Namen hatte“, sagt Ewen. Das änderte sich in diesem Frühsommer, als die Stadt die herzhafte Speise als feste Kreation mit eigenem Namen in anfangs 15 Pizzerien offiziell einführte. Inzwischen backen und belegen auch Pizzaioli aus umliegenden Orten mit – wer im nahen Leudelingen oder im ebenfalls nahen nordlothringischen Audun-le-Tiche eine Escher Pizza wolle, werde versorgt, als hätte er in Esch/Alzette bestellt, berichtet Ewen. Wo es die Pizza gibt, verraten einheitliche Plakate im Schaufenster.

„Die Pizza wird gut angenommen. Man muss Sardellen mögen, aber jeder, der sie probiert hat, hat sie wieder genommen“, berichtet Gabriella Biagioni, Inhaberin der Pizza Enzo in der Rue de l’Alzette, die hier vor 38 Jahren eröffnet hat. Klar sei der Geschmack stark und scharf. Aber: „Die Pizza ist multikulti, bunt und mit diesen Zutaten sehr unterschiedlich im Geschmack, ebenso wie wir hier in Esch“, sagt Biagioni. Sie verkauft die Escher Pizza als Stücke seit zweieinhalb Monaten, manchmal bis zu zwei Bleche am Tag. „Sie ist inzwischen auch meine Lieblingspizza geworden“, sagt die Pizzabäckerin.

Die originelle Marketingidee entstand, so Sprecher Ewen, weil lokale Händler unterstützt und der Name der 36 177-Einwohner-Stadt auf eine positive und humorvolle Weise nach außen getragen werden sollten. Denn der zweitgrößten Stadt im Land wird aufgrund ihrer industriellen Vergangenheit und ihres Stahlarbeitererbes als „Eisenmetropole“ manchmal noch ein längst überholtes, weniger schmeichelhaftes Image als etwa der politisch geprägten, mondäneren Landeshauptstadt nachgesagt. Also Pizza mit scharfer Salami, Knoblauch und Anchovis. Dabei ist diese Wahl nicht beliebig. Zum einen kommen auf die Escher Pizza keine ausgefallenen Nahrungsmittel, sondern Zutaten, die in den Pizzerien ohnehin verarbeitet werden. Zum anderen ist die Verbindung zu Esch/Alzette enger als zunächst ersichtlich. „Aufgrund der Einwanderung aus Italien während der Hochzeiten der Stahlindustrie gibt es in Esch eine sehr lange Pizza-Tradition und sehr viele Pizzerien. Und der Belag sind Zutaten, die charakteristisch für die Länder der Zuwanderer sind“, sagt Ewen. In Esch/Alzette leben Menschen aus 120 Nationalitäten. Und die Stadt zählt zu jenen elf Kommunen, in denen laut Statistikbehörde Statec im Jahr 2018 die Nicht-Luxemburger in der Mehrzahl waren – mit einem Ausländeranteil von knapp 58 Prozent kam Esch/Alzette hier auf den vierten Platz. Zum Vergleich: Landesweit liegt der Ausländeranteil bei rund 47 Prozent. Die mit am stärksten vertretenen Nationen vereint die Escher Pizza: Die Pizza aus Italien, die in Frankreich beliebte scharfe Salami, Anchovis spielen in der portugiesischen Küche eine besondere Rolle, und Knoblauch ist eine alte Kulturpflanze, die in der Großregion, und damit in Luxemburg, seit Alters her stark verbreitet ist.

 Gabriela Biagioni, Inhaberin von „Pizza Enzo“.

Gabriela Biagioni, Inhaberin von „Pizza Enzo“.

Foto: Stadtverwaltung Esch-an-der-Alzette

Die Stadtverwaltung hatte nicht nur die launige Idee, eine Pizza mit der Geschichte der Stadt zu verknüpfen: Die herzhafte Speise ist ein Teil eines ganzen Konzeptes gegen Leerstand in der Innenstadt. Unter der klangvollen Abkürzung „Claire“ („Concept Local d’Activation pour la Revitalisation commerciale d’Esch“) soll der Gewerbebetrieb lebendiger werden. Immerhin ist die Ader des Escher Zentrums, die Rue de l’Alzette, die längste Fußgängerzone des Landes und bietet Platz für 170 Geschäfte. „Zum ‚Claire’-Konzept gehören unter anderem auch Pop-up-Stores und die Nutzung leerer Schaufenster durch benachbarte Gewerbetreibende“, erklärt Sprecher Ewen. Ebenso gibt es zu Beginn reduzierte Mieten bei langfristigen gewerblichen Anmietungen. Die Initiative soll auch eine Plattform sein, Vermieter und Mieter von gewerblichen Flächen, aber auch Anwohner und Besucher besser in Austausch und Kontakt zu bringen. Auch Angebote für Co-working sowie touristische und kulturelle Nutzungen sollen über „Claire“ vermittelt werden.

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