Glorreiche Perspektiven fürs Lëtzebuergesche

Luxemburg · Mit ihrer Forderung nach der Anerkennung des Lëtzebuergeschen als offizielle EU-Sprache heizt die nationalpopulistische Partei ADR die Diskussion um die luxemburgische Muttersprache zur Europawahl am Wochenende an. Auch wenn die meisten Landsleute dem skeptisch gegenüberstehen, könnte die Forderung langfristig sogar Erfolg haben.

Luxemburg. Luxemburgs nationalpopulistische Partei ADR (Alternativ Demokratesch Reformpartei) gilt nicht gerade als Vertreterin europäischer, sondern eher nationaler Interessen.
Folglich lautet das Motto zur Europawahl am Sonntag konsequent: "Manner Europa, méi Lëtzebuerg" (Weniger Europa, mehr Luxemburg).
Doch die Landsleute sind bislang nicht so sehr auf die Wahlwerbung der ADR abgefahren. Bei den Europawahlen vor fünf Jahren erreichte sie gerade 7,4 Prozent der Stimmen. Mit ihrer Forderung nach der Anerkennung des Lëtzebuergeschen als offizielle EU-Sprache versucht die Partei nun, wieder mehr Stimmen zu fangen. Denn im Großherzogtum schien sich zuletzt eine Stimmung abzuzeichnen, bei der sich die Luxemburger zunehmend fremd im eigenen Land fühlen (der TV berichtete). Doch laut dem Luxemburger Sprachsoziologen Fernand Fehlen von der Universität Luxemburg trügt der Schein.
"Auch wenn sich eine Identität über die Sprache definiert, so ist der Wunsch nach einer größeren Anerkennung des Luxemburgischen für die Leute eher ein marginales Thema", sagt Fehlen. "Die Kritik etwa an zu viel Französisch mutet immer etwas folkloristisch an." Denn das Luxemburger Schulsystem baue ja gerade auf der Dreisprachigkeit von Luxemburgisch, Deutsch und gerade Französisch auf, erläutert der Uni-Dozent. Und dennoch sei es möglich, sich mit rudimentären Kenntnissen erfolgreich bis zum Abitur durchzuschlängeln. "Immer mehr Luxemburger können heute besser Englisch als Französisch", sagt er. Er verweist auf die inzwischen gar größere Bedeutung des Lëtzebuergeschen: Mit dem neuen Gesetz zur Staatsbürgerschaft aus dem Jahr 2008 wird dies erstmals explizit bei der Einbürgerung per Test abgefragt. "Es gibt sogar Luxemburgisch-Kurse, die darauf vorbereiten", sagt er.Europawahl 22. bis 25. Mai 2014



Dies habe inzwischen sicher auch schon Auswirkungen, meint Fehlen. So redeten etwa 50 Prozent der Ausländer in Luxemburg auch Luxemburgisch (siehe Stichwort). Und so laufen Englisch und Lëtzebuergesch dem Deutschen und Französischen allmählich den Rang ab.
Selbst Luxemburger Sprachpuristen wie die Initiative Aktioun Lëtzebuergesch sind überzeugt davon, dass die Luxemburger Muttersprache eine Renaissance erlebt. "Die sozialen Medien sind eine enorme Chance für das Luxemburgische, weil wir es erstmals als Schriftsprache im Alltag entdecken", ist Gründer Lex Roth überzeugt.
Und so hat auch die in Luxemburg lebende Eifeler Kinderbuchautorin Christiane Weires ("D\'Oinki sicht e Spillkolleg", Op der Lay-Verlag) festgestellt, "dass bislang kaum jemand in Luxemburg die Rechtschreibung beherrscht". In ihrem Sprachkurs sei sie die einzige Ausländerin gewesen - neben ausschließlich Luxemburgern.
Auch wenn die Nachbarn im Großherzogtum nicht massiv die politischen Forderungen der ADR unterstützen, so ist Soziologe Fehlen überzeugt, dass es EU-weit Chancen gibt, das Lëtze-buergesche zur offiziellen Sprache zu machen. "Hätten Sie mich vor zehn Jahren gefragt, hätte ich das als unsinnig bezeichnet, zumal aus der Logik der Luxemburger Sprachpolitik heraus", sagt er. Aber die EU verfolge konsequent eine Politik, in der das Englische die Oberhand gewinne und mittlere Sprachen wie Deutsch und Französisch ins Hintertreffen gerieten. "Wenn dies so weitergeht, kleine Regionalsprachen gefördert werden und die Devise ein Land, eine Sprache gilt, dann hat das Lëtzebuergesche eine glorreiche Zukunft", sagt Fehlen.

Mehr Infos zur Europawahl im Wahlspecial von volksfreund.de: www. volksfreund.de/wahlen Extra

Gut 70 Prozent der Luxemburger Bevölkerung sprechen Luxemburgisch, knapp 60 Prozent Französisch, rund 31 Prozent Deutsch. Laut dem jüngsten Mikrozensus, der erstmals Fragen zur Sprache und dem Sprachgebrauch erforscht hat, spricht im Schnitt jeder Bewohner 2,2 Sprachen. Dass die gesprochen werden, heißt aber nicht, dass sie auch gut beherrscht werden. Zwar können mehr als zwei Drittel der Einwohner Lëtzebuergesch, aber nur 56 Prozent von ihnen beherrschen die Landessprache auch. Nach dem Luxemburgischen ist nämlich Portugiesisch, gefolgt von Französisch die am besten berrschte Sprache im Land. sasExtra

Derzeit ist das Lëtzebuergesche Nationalsprache und mündliche Amtssprache. Mit Französisch und Deutsch - beide schriftliche Verwaltungssprachen - gibt es drei offizielle Sprachen - beschlossen 1984 im Sprachengesetz. Im Schulgesetz sind alle drei Sprachen schon seit 1912 als Pflichtprogramm formuliert. Derzeit wird eine Verfassungsreform diskutiert, bei der das Luxemburgische Landessprache werden soll. Erst dann wäre auch eine Anerkennung durch die EU wie beim Maltesischen oder Irischen möglich. Alle Regierungen haben dies bislang mit dem Hinweis auf die Mehrsprachigkeit abgelehnt. sas

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