Handel Luxemburgs Händler unter Druck

Luxemburg · Immer mehr Leerstände, zahlreiche Baustellen, schlechte Erreichbarkeit: Die Luxemburger Geschäftsleute in der Innenstadt klagen über Probleme und die fehlende Handlungsfähigkeit der Stadt.

Wieder ein Traditionshaus weniger in der Stadt. Die Ankündigung, dass „Tapis Hertz“ seine Türen im November schließt, belebt die Diskussion um die Probleme der hauptstädtischen Geschäftswelt. Der Handel und die Gemeinde sind diesbezüglich unterschiedlicher Meinung.

Tapis Hertz war einer der Familienbetriebe, die das Bild der Hauptstadt mitgeprägt haben. 73 Jahre lang war das Geschäft in der „Groussgaass“ angesiedelt. Die Ankündigung, dass das Unternehmen sein dortiges Geschäft schließen werde, war wie Öl aufs Feuer jener, die darüber klagen, dass die Stadt immer mehr von ihrer Seele verliere. Dazu muss man kein ausgesprochener Pessimist sein. Jeder Käufer in einer x-beliebigen Innenstadt kann feststellen, dass das Angebot zu einem Großteil von den immer gleichen internationalen Firmen bestimmt wird.

Die Gründe fürs Verschwinden der alteingesessenen Geschäfte aus der Hauptstadt sind allerdings vielfältiger Art, wie verschiedene Geschäftsführer uns erzählten. Überraschend dabei ist, dass es nicht unbedingt das oft erwähnte Problem der hohen Mieten ist, das die Läden aus der Innenstadt verdrängt. Als im August 2017 der Juwelierladen Kass-Jentgen et Fils dichtmachte, gab Isabelle Kass damals dem Magazin Paperjam die extrem hohe Miete, die für das Ladenlokal verlangt wurde, als Hauptgrund an: 30 000 Euro für 130 Quadratmeter.

Nathalie Aach, die Geschäftsführerin von Tapis Hertz, erklärt jedoch, es sei nicht die Miete gewesen, die sie dazu veranlasste, das Geschäft im Zentrum zu verlassen. Vielmehr hätten sich die Einkaufsgewohnheiten der Kunden geändert. Hinzu kämen die zunehmende Beliebtheit des Internet-Shoppens und vor allem der Mangel an verfügbarem Parkraum. „Heutzutage kommen die Leute in die Stadt, um dort spazieren zu gehen, aber nicht um bei uns einzukaufen“, sagt sie.

Ähnliches hört man von Gilbert Schilling, Geschäftsführer des Traditionshauses Lessure, das nächstes Jahr sein 150. Jubiläum feiern wird. Auch er bemängelt den fehlenden Parkraum in der unmittelbaren Umgebung seines Geschäfts im Bahnhofsviertel. Die Stadt sei einfach nicht sehr zugänglich, weder für Kunden noch für Zulieferer. Für den Kunden sei es einfacher, zur Geschäftsstelle nach Niederanven zu fahren, dort fände er einen Parkplatz vor der Tür.

Vor allem aber kritisiert Schilling die mangelnde Kulanz seitens der städtischen Beamten, wenn es ums Falschparken gehe. „Es scheint, dass die ,Pecherten’ den Besuchern der Stadt regelrecht auflauerten.“ Er habe mehr als einmal erlebt, dass ein Kunde, der nur etwas abholte, einen Strafzettel erhielt. Das werde in Trier zum Beispiel viel kulanter gehandelt. Es sei sogar schon vorgekommen, dass die Polizei den Wagen einer seiner Lieferanten während einer Lieferung konfisziert habe. Den Gemeindeverantwortlichen wirft Schilling vor, sie würden dieses Problem nicht ernst nehmen.

Ein weiterer Dorn im Auge des städtischen Handels sind die vielen Baustellen. Im Moment ist das vor allem die Tram-Baustelle. Schilling weist darauf hin, dass es sich wohl nur internationale Großbetriebe leisten könnten, wegen dieser Baustellen über mehrere Monate Einbußen von bis zu 30 Prozent hinnehmen zu können. Ein weiteres Problem sei generationeller Natur: Manche Betriebe hätten ganz einfach Schwierigkeiten, einen Nachfolger zu finden.

Guill Kaempff, Präsident des „Stater Geschäftsverband“ und Direktor von Kaempff-Kohler, sieht die Entwicklung mit Sorge und sieht die Politik gefordert. Es müsse vor allem den kleinen Geschäften, wie diesen Familienbetrieben, mehr geholfen werden, meint er. Das könnten ermäßigte Gemeindesteuern sein. Auch müsse das Problem der leerstehenden Räumlichkeiten gelöst werden.

Ein Problem, welches der für den Handel zuständige Schöffe der Stadt Luxemburg, Serge Wilmes, kennt. Leider, sagt er, zögen es viele Immobilienbesitzer vor, eine Immobilie leer stehen zu lassen, als die Miete zu senken. Wilmes findet es ebenfalls schade, dass die Traditionshäuser aus der Stadt verschwinden, denn sie gäben der Stadt ihre Seele und machten die Originalität gegenüber anderen Städten aus. Er sieht ein, dass es zwar oft die hohen Mieten seien, die Probleme bereiteten, aber es sehe so aus, dass diese in verschiedenen Straßen sogar fallen würden. Ein großes Problem für die Stadt sei, dass sie über keine genauen Zahlen verfüge, weder was die Mieten noch was die Situation des Handels angeht. Die Stadtverwaltung habe deswegen mehrere Studien in Auftrag gegeben, um sich ein klareres Bild von der Lage zu verschaffen.

Aktiv bei den Mieten könne die Stadt nicht werden: Regelungen müssten über das Mietgesetz erfolgen. Er warnt: „Das ist keine Zauberlösung.“ Es gebe Besitzer von Geschäftslokalen, die sich nicht von höherer Besteuerung leerer Geschäftsräume beeinflussen ließen. Die Besitzer würden ihre Lokale lieber leer stehen lassen, als die Miete zu senken. Wilmes weist darauf hin, dass die Gemeinde selbst über Geschäftsflächen verfüge, die sie zu einem attraktiven Preis vermiete, mit dem Ziel, es auch jungen Unternehmern mit originellen Ideen zu erlauben, Fuß zu fassen.

Den Vorwurf des mangelnden Parkraums lässt Wilmes nicht gelten. Die Zahlen zeigten, dass die meisten Parkhäuser durchschnittlich um die 80 Prozent belegt seien, mit Ausnahme „Knuedler“ und „Place du Théâtre“. Als Antwort auf die Konkurrenz des Internethandels hat die Gemeinde zusammen mit dem Wirtschaftsministerium, der Handelskammer und dem Handelsverband die Initiative „Lëtz Shop“ ins Leben gerufen, eine nationale E-Commerce-Internetseite, wo man online Produkte von luxemburgischen Geschäften kaufen kann (der TV berichtete). Die Stadt ist mit jährlichen 150 000 Euro daran beteiligt. Die Gemeinde könne nur für einen geeigneten Rahmen für den Handel sorgen, sagt Wilmes. Mehr aber auch nicht.

Der Autor ist Mitarbeiter des Luxemburger Tageblatts.

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