Mobilität im Großherzogtum Radfahren in Luxemburg auf dem Vormarsch

Luxemburg · Das Fahrrad boomt und spielt eine Schlüsselrolle bei der geplanten Verkehrswende. Aber Luxemburg tut sich schwer beim Schaffen einer modernen Radinfrastruktur.

 Luxemburg will den Radverkehr deutlich ausbauen.

Luxemburg will den Radverkehr deutlich ausbauen.

Foto: Tageblatt/Tageblatt/Editpress

  Dass das Fahrrad eine Hauptrolle bei der Fortbewegung in Luxemburg spielt, liegt auf der Hand. Es ist klimaneutral, geräuschlos, zudem gesundheitsfördernd und braucht weniger Platz. „Wir müssen das Fahrrad zum zweiten vollwertigen Individualverkehrsmittel machen“, sagte François Bausch („déi gréng“), Minister für Mobilität und öffentliche Bauten, dem Luxemburger „Tageblatt“. Die Popularität des Fahrrads nannte der Minister eine „Riesenchance“.

Bausch stellte nun den nationalen Mobilitätsplan 2035 für das Großherzogtum vor. Der Plan ist Nachfolger des 2018 vorgestellten Modu 2.0 und stellt dessen praktische Umsetzung dar, basierend auf Daten. Ausgangspunkt ist ein projiziertes Wirtschaftswachstum von drei Prozent, was bis 2035 die Mobilitätsnachfrage der Menschen um 40 Prozent wachsen lassen würde. Ziel ist, diese Steigerung der Bewegungen mit weniger Autos als 2017 zu bewältigen.

Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts TNS Ilres sind 2020 rund 58 Prozent der Einwohner Luxemburgs mit dem Rad gefahren. Im Durchschnitt besitzt jeder Haushalt zwei Fahrräder. Seit Ausbruch der Pandemie erfährt das Zweirad zudem einen weiteren Aufschwung, so dass sich diese Zahlen inzwischen weiter nach oben hinbewegt haben dürften. Zudem entdecken dank des Siegeszugs der E-Bikes viele Menschen das Fahrrad wieder neu. All das bringt das Mobilitätsministerium zu folgendem Schluss: „Nicht die Motivation der Menschen zum Radfahren fehlt, sondern qualitativ hochwertige Radinfrastruktur.“

Lange wurde in Luxemburg ausschließlich in die Infrastruktur für den motorisierten Verkehr investiert. Weshalb es nicht verwundert, dass so manche Verkehrsstatistik deutliche Resultate hervorbringt: Im Großherzogtum werden ein Drittel aller Bewegungen unter einem Kilometer mit dem Auto bestritten, das Fahrrad wird bei diesen Distanzen lediglich in fünf Prozent der Fälle benutzt. Bei Fahrten zwischen einem und fünf Kilometern wird das Rad zwar etwas konsequenter genutzt, jedoch dominiert das Auto mit zwei Dritteln aller Bewegungen deutlich. Innerhalb der Ballungsgebiete Luxemburg-Stadt und Esch-Belval ist die Diskrepanz weniger groß, 2017 wurden hier 46 Prozent aller Bewegungen unter fünf Kilometern mit dem PKW absolviert. Ziel des nationalen Mobilitätsplans ist nun, diese Zahl bis 2035 auf 21 Prozent zu reduzieren. Um das zu erreichen, wird ein Anstieg der Bewegungen zu Fuß oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln um jeweils fünf Prozent angepeilt. Der Fahrradverkehr soll dagegen um 15 Prozent wachsen. Das Rad muss ein großes Wachstum erfahren, ansonsten verschlechtert sich die individuelle Mobilität in den Ballungsgebieten drastisch, heißt es dazu in dem Plan, kurz PNM2035. In anderen Worten: Mehr Lebensqualität durch weniger motorisierten Verkehr.

Dadurch ergibt sich im nationalen Mobilitätsplan ein ehrgeiziges Ziel für das Jahr 2035: „Aus dem Fahrrad ein gleichwertiges individuelles Transportmittel machen, das erlaubt, auf sichere und komfortable Weise jedes Ziel in Luxemburg von jedem Ort aus zu erreichen.“ Also ein zusammenhängendes, landesweites Radwegenetz zu schaffen. Und das Fahrrad innerhalb der Ballungsgebiete mindestens genauso effizient zu machen wie das Auto. Wie soll das erreicht werden?

Zunächst einmal soll das Fahrrad prinzipiell in allen Bauvorhaben berücksichtigt werden. Das gilt nicht nur für jede nationale oder kommunale Straße, sondern auch für jeden urbanen Entwicklungsplan und auch für jede neue Immobilie. Einer der Paradigmenwechsel des PNM2035 im Straßenverkehr soll sein, den motorisierten Transitverkehr in Zukunft aus den Ortskernen zu verbannen. Was die Straßen angeht, so sollen neue Radwege getrennt vom restlichen Verkehr sein. Da ist François Bausch formell: Es gehe nicht darum, „irgendeine Infra­struktur für Fahrräder zu schaffen, sondern eine, die der Qualität der Infrastruktur für den motorisierten Verkehr entspricht“, sagte er. Und das bedeutet für ihn vom Verkehr und von den Fußgängern strikt getrennte Fahrradwege und keine Kompromisslösungen, wie sie überall zu finden sind.

Die Umsetzung scheint allerdings alles andere als einfach. Der Staat beteiligt sich momentan zu 100 Prozent bei der Radinfrastruktur mit nationalem Charakter, mit 30 Prozent an kommunalen Zubringern auf diese Infrastruktur. Will heißen, dass der Großteil der Radwege in den Kompetenzbereich der Gemeinden fällt. Dazu bietet der Staat mit der Internetplattform www.veloplangen.lu das „Handwerkszeug“. Gleichzeitig baut er das nationale Radwegenetz (PC) weiter aus.

In seiner Rede zur Lage der Nation sprach Premier Xavier Bettel (DP) im vergangenen Jahr vom Bau zusätzlicher 460 km Radwege in den kommenden Jahren. Ist das realistisch? 2021 wurden innerhalb einer Woche zwei neue Teilstücke medienwirksam eingeweiht. Die 3,1 Kilometer langen Radwege des PC14 zwischen Mersch und Schoenfels kosteten 2,16 Millionen Euro, die Bauzeit betrug zweieinhalb Jahre, auch bedingt durch Lockdown-Pausen. Die 4,9 Kilometer des PC20 (Kautenbach-Wiltz) kosteten 1,3 Millionen Euro, die Bauzeit betrug 15 Monate. Seit 2015 wurde das Radwegenetz in Luxemburg um 92,5 Kilometer erweitert und beträgt nun insgesamt 640 Kilometer.

Im nationalen Mobilitätsplan 2035 sind die großen Vorhaben der nächsten Jahre aufgelistet. Da ist zunächst einmal die Schaffung von drei Radexpresswegen. Auf diesen „Autobahnen“ für Fahrräder hat das Rad bei etwaigen Kreuzungen stets die Vorfahrt, kommt also schnell voran. Momentan befindet sich die erste zwischen Bettemburg und Luxemburg-Stadt entlang der neuen Bahnlinie in ihrer letzten Bauphase. Sie soll später bis nach Düdelingen reichen. Eine zweite entsteht am multimodalen Korridor der A 4 zwischen der Hauptstadt und Esch neben der Trasse für die schnelle Tramverbindung. Neu ist, dass ein dritter Radschnellweg in die „Nordstad“, dem dritten Ballungsgebiet des Landes, gebaut wird.

Daneben sollen auf weiteren Hauptachsen sogenannte „Itinéraires cyclables performants à dominante pendulaire“ entstehen. Der Weg von Petingen, Steinfort, Wecker oder Junglinster in die Hauptstadt soll somit den Radfahrern erleichtert werden. Zudem soll die vor allem von Rennradfahrern viel genutzte Dreikantonstraße eine solche Infrastruktur erhalten. Was die touristischen Routen betrifft, so ist die Verlängerung der Vennbahn von Ulflingen aus Richtung Süden beschlossene Sache, womit dann auch das Ösling mit der „Nordstad“ und somit dem Rest des Landes via Radweg verbunden wäre. Prinzipiell sollen Fahrradrouten auf Landstraßen entstehen, die für den motorisierten Verkehr eine geringe Bedeutung haben, was ein Tempolimit von 50 km/h für Autos zur Folge hat, wie Bausch erklärte.

Auch innerorts soll das Fahrrad attraktiver werden als das Auto. Damit wäre laut Statistiken auch den Jugendlichen geholfen. 94 Prozent der 6- bis 12-Jährigen und 77 Prozent der 13- bis 17-Jährigen sind 2020 Rad gefahren. Für sie ist das Fahrrad das einzige individuelle Transportmittel, weshalb sichergestellt werden soll, dass sie mit ihm überall hinkommen, ob zur Schule, zum Sport oder den Nachbarort. „Eine Ortschaft ist nur dann wirklich fahrradgerecht, wenn die Kinder sich allein und in voller Sicherheit mit dem Rad fortbewegen können“, heißt es im PNM2035.

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