Residenzklausel abgeschafft Luxemburg reformiert Kommunalwahlrecht

Luxemburg-Stadt · Auch EU-Ausländer dürfen nun wählen und kandidieren, sobald sie ihren Wohnsitz im Großherzogtum haben.

 Bei den vergangenen Kommunalwahlen im Jahr 2017 konnten rund 75 000 Menschen in Luxemburg nicht wählen, weil sie noch keine fünf Jahre im Land wohnten.

Bei den vergangenen Kommunalwahlen im Jahr 2017 konnten rund 75 000 Menschen in Luxemburg nicht wählen, weil sie noch keine fünf Jahre im Land wohnten.

Foto: dpa/Ronald Wittek

Bei den nächsten Gemeindewahlen am 11. Juni 2023 können deutlich mehr Menschen in Luxemburg ihr Kreuz machen. Sowohl EU-Bürger als auch Drittstaatler haben sowohl aktives als auch passives Wahlrecht. Innenministerin Taina Bofferding (LSAP), Integrationsministerin Corinne Cahen (DP) und Justizministerin Sam Tanson (Déi Gréng) haben die Änderungen vorgestellt, eingebracht hat das entsprechende Gesetz Premier- und Staatsminister Xavier Bettel (DP).

Luxemburg hat damit die bisher geltende Residenzklausel abgeschafft, nach der Nicht-Luxemburger erst stimmberechtigt waren, wenn sie fünf Jahre im Land gewohnt haben. Die Residenzklausel war eine Ausnahme vom EU-Recht, die Luxemburg aufgrund seines hohen Ausländeranteils von derzeit rund 47 Prozent zugestanden wurde. Die Änderung betrifft auch die Europawahlen.

„Die Kommunen bilden die Basis unserer Demokratie. Entscheidungen auf dieser Ebene wirken sich direkt auf die Bürger aus und sind im täglichen Leben spürbar. Wir müssen alles dafür tun, um der gesamten Bevölkerung Teilnahme an Kommunalwahlen und Partizipation an Lokalpolitik zu erleichtern“, sagte Bofferding. Dies sei eine feste Zusage der Koalition. Cahen betonte, die Menschen könnten so unmittelbar am politischen Leben teilnehmen und sich leichter integrieren. Wer an den kommenden Kommunalwahlen teilnehmen will, muss sich auf den Wählerlisten eintragen lassen, und wählen gehen – in Luxemburg besteht Wahlpflicht. Die Entscheidung der Regierung hat ein vielstimmiges Echo erhalten.

Nutzer schrieben in Kommentarspalten der zugehörigen Medienberichte von einem „Ausverkaaf vu Lëtzebuerg“ und warfen der Regierung vor, sich über den Willen der Bevölkerung hinwegzusetzen. Tatsächlich war das Wahlrecht für Ausländer vor sechs Jahren ein großes Thema, als in einem Referendum unter anderem über ein Ausländerwahlrecht – allerdings für die Wahlen zum Parlament und unter Voraussetzung eines zehnjährigen Wohnsitzes – abgestimmt wurde. Während die Regierungsparteien DP, Déi Gréng und LSAP sowie Déi Lénk sich für ein Ja ausgesprochen hatten, lehnten CSV und ADR dies ab. Die Mehrheit der Wahlberechtigten (78 Prozent) stimmte im Referendum des Sommers 2015 dagegen.

Während sich die Opposition CSV in puncto Kommunalwahl für Ausländer bisher mit einer offiziellen Meldung zurückgehalten hat, sprach sich die rechtskonservative und rechtspopulistische Alternativ Demokratesch Reformpartei (ADR) gegen die Reform des Wahlgesetzes aus. „Unsere Partei ist damit nicht einverstanden, für uns käme höchstens eine Verkürzung von derzeit fünf auf drei Jahre infrage“, teilte die ADR mit. Die Ausländer müssten die gemeindepolitischen Diskussionen zunächst verstehen, inhaltlich und sprachlich, um sich aktiv oder passiv am kommunalpolitischen Leben beteiligen zu können.

Bei den Kommunalwahlen wählen die Luxemburger alle sechs Jahre ihre Gemeinderäte. 2017 konnten nach Angaben des Integrationsministeriums und des Zentrums für interkulturelle und soziale Studien und Ausbildung 75 226 Ansässige nicht wählen, weil sie noch keine fünf Jahre im Land wohnten – damals rund 33 Prozent der Luxemburger Bevölkerung.

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