Luxemburger Armee Mit dem A400M um die Welt: Luxemburger Militärpilot spricht über seinen Beruf

Interview · Daniel Olsem ist Pilot in der Luxemburger Armee und fliegt mit dem A400M durch die ganze Welt. Das Tageblatt hat den 37-Jährigen auf der belgischen Flugbasis Melsbroek besucht und mit ihm über seine Karriere, das neue Transportflugzeug und seine militärischen Missionen geredet.

 Daniel Olsem ist einer der Luxemburger Militärpiloten, die den A400M fliegen.

Daniel Olsem ist einer der Luxemburger Militärpiloten, die den A400M fliegen.

Foto: tageblatt.lu/Editpress/Alain Rischard

Herr Olsem, es gibt nicht viele Luxemburger, die Ihren Beruf ausüben. Wie reagieren die Menschen, wenn Sie ihnen erzählen, dass Sie Pilot bei der Armee sind?

Daniel Olsem: Wenn die Person extrem pazifistisch ist, dann wird man ein bisschen schief angeschaut. Andere stellen normalerweise viele Fragen, weil niemand genau weiß, was wir eigentlich machen. Aus den Filmen kennt jeder die Kampfpiloten, aber alle anderen Piloten sind weniger bekannt.

Warum haben Sie sich für die Armee entschieden?

Den ganzen Tag vor dem Computer zu sitzen, ist eigentlich nicht mein Ding. Natürlich kommt man in keinem Beruf am PC vorbei, aber ich wollte auch etwas mit mehr Praxis. Da hat die Armee dann relativ gut gepasst. Man sieht viel, hat ein interessantes Leben – nachher kann man sagen, dass man nicht nur das ganze Leben lang von 9 bis 17 Uhr im Büro gearbeitet hat.

Wann haben Sie den Schritt zum Piloten gemacht?

Die militärische Luftfahrt hat mich schon immer interessiert. Am Ende meines ersten Jahres in der Militärschule hörte ich, dass sie für den nächsten Jahrgang Piloten rekrutieren. Ich fragte, ob ich wechseln könne, und das hat dann auch geklappt.

Wie läuft die Ausbildung ab?

Zuerst gehst du zur Militärschule. Nach fünf Jahren hatte ich dann mein Master-Diplom. Danach wirst du auf deine spezifische Berufsausbildung geschickt. In Belgien haben sie mehrere Richtungen – und dazu gehört auch die Luftfahrt. Für den Pilotenjob macht man eine neunmonatige Ausbildung auf dem Militärflugplatz Beauvechain in Belgien. Das ist relativ intensiv – etwa 60 Prozent der Teilnehmer kommen dort nicht weiter.

Warum ist das so intensiv?

Leistungsdruck. Du hast sehr wenige zweite Chancen – beim ersten Flug wird das zu Lernende gezeigt, beim zweiten muss man zeigen, dass man es schon beherrscht und beim Dritten muss es dann sitzen. Im Flugzeug hat man auch ständig den Stress und Druck, dann muss man klar denken und sich konzentrieren können.

Wie geht es danach weiter?

Bei den Belgiern entscheidet sich nach dieser Ausbildung anhand von deiner Platzierung, ob du dich auf Kampf-, Transport- oder Helikopter-Einsätze konzentrierst. Die meisten wollen Jetpiloten werden. Für uns als Luxemburger ist das einfacher, weil wir ohnehin für die Transportflüge vorgesehen sind. Dann wird man zum Militärflughafen in Avord geschickt, der sich mitten in Frankreich befindet. Dort bleibt man etwa ein Jahr. Wenn man damit fertig ist, kommt man zurück nach Melsbroek und dort macht man dann die Umschulung auf den A400M.

Welche Voraussetzungen muss man als Pilot haben?

Viele Menschen glauben, man müsse gut in Mathematik und Physik sein, um Pilot zu sein – und das ist auch von Vorteil –, aber man muss hauptsächlich extrem gut auswendig lernen können. Beim A400M gibt es extrem viel Material, das man auswendig lernen muss. Man muss sehr viele Zahlen und Grenzwerte von allen möglichen Systemen kennen.

Wie fühlt sich denn der A400M an?

Beeindruckend – da steckt viel Kraft dahinter und für so einen großen Transportflieger ist er extrem wendig. Der C130 lässt sich schon gut fliegen, aber wenn du mit dem A400M zum Beispiel für einen Trainingsflug relativ aggressiv fliegst, dann reagiert der richtig gut. Das macht dann auch Spaß.

Warum hat Luxemburg überhaupt so viel Geld für den A400M ausgegeben?

Luxemburg ist Mitglied der NATO und hat damit verschiedene Verantwortungen. NATO ist nicht nur Säbelrasseln und Krieg führen, sondern gewährt eine gewisse Sicherheitsstabilität. Das sichert wiederum eine ökonomische Stabilität, wovon jeder profitiert. Wenn man von etwas profitiert, dann muss man auch etwas dazu beitragen. Das Problem ist, dass der A400M relativ viel schlechte Werbung bekommen hat, weil es am Anfang recht viele technische Probleme und Verspätungen gab. Das ist aber normal bei einem Projekt im Flugverkehr. Das Flugzeug wird permanent upgedatet. Jetzt können wir schon viel machen, was wir vergangenes Jahr noch nicht konnten.

Was gefällt Ihnen gut an Ihrem Beruf?

Ich habe sehr viel Abwechslung in meinem Alltag. Die wechselnde Sicherheitslage der verschiedenen Länder bestimmt die alliierte Sicherheitspolitik. Wenn das Regime beispielsweise in der Sahelzone in Afrika wechselt, dann macht das für uns definitiv einen Unterschied. Russland versucht dort momentan mehr Einfluss zu gewinnen. Sie versuchen diese Staaten so zu beeinflussen, dass sie ihre Politik zu einer antiwestlichen Haltung wechseln. Dort, wo wir vorher willkommen waren, sind wir das mittlerweile teilweise weniger.

Wie oft sitzen Sie tatsächlich im Flugzeug, um Missionen zu fliegen?

Ich würde eigentlich gerne noch mehr fliegen, aber es gibt noch so viel Arbeit nebenbei. Die Piloten haben alle noch einen zweiten Job. Bei mir ist es beispielsweise die Cheffunktion der Einheit. Das beansprucht prinzipiell 40 Prozent meiner Zeit. Wir versuchen etwa 250 Stunden pro Jahr fliegen – das ist nicht viel, aber zu jedem Flug gehört auch viel Vorbereitung. Wir haben außerdem einen Simulator, den wir relativ viel benutzen. Da das Gerät auf dem neuesten Stand ist, zählt eine Stunde im Simulator auch als eine Flugstunde. Aber wenn man im Simulator einen Fehler macht, dann muss man nur den Neustart-Knopf drücken – den gibt es im Flugzeug nicht.

Welche Missionen fliegen Sie üblicherweise?

Meistens geht es um die Versorgung der belgischen und zum Teil Luxemburger Truppen vor Ort. Wir liefern Getränke, Essen oder Material für ihre Infrastruktur und Medikamente. Ich fliege außerdem Missionen, bei denen es nur um humanitäre Hilfe geht. Ich habe beispielsweise auch schon Material für eine Schule – also Bänke, Stifte und Stühle – geliefert. Wir transportieren aber auch Munition.

Fliegen Sie momentan auch in die Ukraine?

Unsere Ziele verändern sich abhängig von der Sicherheitspolitik. Momentan fliegen wir also relativ viel in die Grenzregion der Ukraine, um sie mit Material zu unterstützen. Ich bin aber auch schon vor dem Krieg für die NATO in die baltische Region geflogen.

Fliegen Sie auch gefährliche Missionen?

Das hängt davon ab, wo wir gerade sind. Wir bekommen dazu einen Bericht des belgischen Geheimdienstes, die für jedes Land die Gefahr einschätzt und auch das politische Klima beschreibt. Aufgrund dieser Informationen muss der Flugkommandant die Mission planen.

Wie viel Einfluss kann man auf das Gefahrenpotenzial haben?

Man kann zum Beispiel die Flughöhe verändern. Wenn man besonders tief fliegt, dann haben die gegnerischen Streitkräfte weniger Zeit zum Reagieren. Auch die Uhrzeit spielt eine Rolle – am sichersten ist es natürlich in der Nacht. Die meisten der uns feindlich gesinnten Länder haben nicht die Kapazitäten, dich im Dunkeln zu sehen. Man versucht außerdem verschiedene Luftzonen zu vermeiden, von denen man weiß, dass sie gefährlich sind. Auch die Landestrategie macht einen Unterschied.

Wie läuft eine Mission ab?

Für eine normale Logistik-Mission von einem Tag – wie beispielsweise bis nach Marokko und zurück – sind die Piloten zwei Stunden im Voraus da. Man schaut sich das Wetter und die Situation am Zielflughafen an. Dann muss man auch ausrechnen, wie viel Sprit man benötigt. Bei einer Mission, die eine Woche dauert, fange ich schon ein paar Tage im Voraus mit den Vorbereitungen an – vor allem, wenn wir an einen Ort fliegen, wo kein Benzin verfügbar ist.

Waren Sie schon einmal in einer Situation, in der Ihr Leben in Gefahr war?

Man hat immer Situationen, in denen eine potenzielle Gefahr besteht. Meine letzten Missionen nach Gao in Mali, da gab es eine gewisse Bedrohung. Meistens sind wir allerdings nicht interessant genug als Ziel. Ein weiteres Beispiel für einen gefährlichen Einsatz war Kabul im Jahr 2021.

Das heißt, man ist auch länger mal nicht zu Hause. Wie lässt sich das mit dem Privatleben vereinbaren?

Es ist nicht einfach. Ich versuche so viel wie möglich dafür zu sorgen, dass mein Familienleben auch in Ordnung ist. Schlussendlich ist der Beruf etwas, das man 40 Jahre lang macht, eine Familie hat man für immer. Das Allerwichtigste ist schlussendlich, dass man einen Partner hat, der das mitmacht. Wenn ich eine Woche weg bin, ist das eine Woche, die für mich sehr schnell vorbei ist, weil ich immer etwas zu tun habe. Meine Frau ist allein zu Hause und muss den Haushalt managen.

Sind Sie stolz auf Ihre Arbeit?

Jede Arbeit hat gute und schlechte Seiten. Politisch kann man mit den Missionen einverstanden sein oder nicht, diese Entscheidungen treffen wir nicht. Aber wir fliegen für die Menschen, denen wir helfen. Schlussendlich ist es das, was mich erfüllt.

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