Luxemburgs stiller Held: Altgroßherzog Jean wird 90

Luxemburg · Königlicher Geburtstag: Der frühere luxemburgische Großherzog Jean wird heute 90 Jahre alt. Ein eher diskreter und unauffälliger "Royal", der im Kreis der europäischen Monarchen ganz vorne steht.

(dpa) In der Öffentlichkeit wird er als "Monseigneur" angesprochen, nicht als Majestät. Er war Prinz, wurde aber nicht König, sondern Großherzog. Das ändert nichts daran, dass Altgroßherzog Jean von Luxemburg im Kreis der europäischen Monarchen immer in der ersten Reihe gestanden hat. Jean, der von 1964 bis zu seiner Abdankung im Jahr 2000 Staatschef des Großherzogtums war, wird heute 90 Jahre alt. Als Mitglied des Hauses Nassau-Weilburg und als "Königliche Hoheit" ist er einer der eher diskreten und unauffälligen "Royals" in Europa. Ein Mann ohne Skandale.

Heute lebt er in einem Schloss oberhalb des kleinen luxemburgischen Ortes Fischbach (Kanton Mersch) und ist - wie Kreise des Hofes verlauten lassen - "gesundheitlich noch gut beisammen". Gerne empfängt er Leute und besucht Ausstellungen. Er liebt die Natur und die Musik: Daher hat er zu seinem Geburtstag zum Konzert in die Philharmonie Luxemburgs geladen - ein noch junges Konzerthaus, das den Namen seiner 2005 verstorbenen Frau, der Großherzogin Joséphine-Charlotte, trägt.

Dass Altgroßherzog Jean - auf Deutsch Johann I. - in den europäischen Königshäusern zu Hause ist, zeigt auch seine besondere Beziehung zur britischen Königin Elizabeth II. Beim "Trooping the Colour", der jährlichen Geburtstagsparade von Königin Elizabeth II., ritt Jean einst in der Uniform eines Obersts der Irish Guards direkt hinter der Queen. Und später wurde er sogar Ehrengeneral der britischen Armee. Jean kämpfte im Zweiten Weltkrieg in britischer Uniform gegen die Deutschen, die 1940 sein Land besetzt hatten. 1942 trat er in .das Eliteregiment der Irish Guards ein.

Im Juni 1944 landete er in der Normandie, nahm kurz darauf an der Schlacht von Caen und an der Befreiung Brüssels teil. Ende 1944 kämpfte Jean noch gegen die deutsche Ardennenoffensive. Bei seiner Rückkehr nach Luxemburg feierte das ganze Land den im Fronteinsatz erprobten Luxemburger Prinzen als Helden: Die Bürger hatten Jean als Garanten für Freiheit und Unabhängigkeit ins Herz geschlossen.

Im April 1953 heiratete er die belgische Prinzessin Joséphine-Charlotte, die Schwester der belgischen Könige Baudouin I. und Albert II. Aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor, darunter der derzeit amtierende Großherzog Henri. 1964 bestieg Jean dann den Thron, nachdem seine Mutter Charlotte abgedankt hatte. Großherzogin Joséphine-Charlotte starb 2005 an Krebs.

In seiner 36-jährigen Regentschaft entwickelte sich Luxemburg vom Agrar- und Industriestandort zum modernen Dienstleistungszentrum. Seit Ende der 60er Jahre siedelten sich die ersten internationalen Banken an; ein 350 Hektar großes Areal für Einrichtungen der Europäischen Gemeinschaft wurde erschlossen. Die Entwicklung Luxemburgs als Finanzplatz und EU-Hauptstadt lag Jean stets am Herzen.

Diskret, unauffällig und ohne öffentlich erkennbare politische Meinung übte der streng katholische Großherzog sein Amt aus. Nur wenig Privates drang über die Palastmauern nach außen.

In jüngster Zeit war der einstige Reiter, Jäger und Skifahrer selten in der Öffentlichkeit zu sehen. "Bei uns hat er zuletzt in Schoos eine Wanderausstellung über seine Mutter, die Großherzogin Charlotte (1896-1985), besucht", sagt die Bürgermeisterin von Fischbach, Marianne Brosius-Kolber.

"Er hat immer schon zurückgezogen gelebt", fügt ein Sprecher der 900-Einwohner-Gemeinde hinzu. Nach wie vor interessiere den früheren Großherzog aber "ganz doll, was in seinem Dorf passiert". ."Er nimmt regen Anteil am Gemeindeleben", sagt Bürgermeisterin Brosius-Kolber. Er wolle immer gut informiert sein über Neubauten, Feste und Ausstellungen. Und beim Laternenumzug gehen die Kinder hoch zum Schloss. "Er ist hier ganz beliebt bei jedermann." Zu seinem Geburtstag wird die Gemeinde ihn mit einer Delegation besuchen und ihm reichlich Blumen schenken.

Extra
Das Großherzogtum Luxemburg ist nach Malta das zweitkleinste Land der Europäischen Union (EU) und grenzt an Frankreich, Belgien und Deutschland. Es gehört zu den Gründerländern der Union.
Wichtige europäische Institutionen haben in Luxemburg ihren Sitz, darunter der Europäische Gerichtshof, der Europäische Rechnungshof und die Europäische Investitionsbank.
Weitere Angaben zum Großherzogtum Luxemburg:
Staatsform: konstitutionell-parlamentarische Monarchie
Einwohner: ungefähr 500 000
Ausländeranteil: 43 Prozent, 150 Nationalitäten
Amtssprachen: Luxemburgisch (Lëtzebuer-gesch), Deutsch, Französisch
Staatsoberhaupt: Großherzog Henri
Regierungschef: Jean-Claude Juncker
Wichtige Unternehmen: ArcelorMittal, SES, RTL Group
(dpa)

Hintergrund

Der luxemburgische Zweig der Dynastie Nassau-Weilburg existiert seit 1890 und hat bisher sechs luxemburgische Herrscher gestellt. Derzeit ist es Großherzog Henri: Nach der freiwilligen Abdankung seines Vaters Jean wurde der heute 55-Jährige im Oktober 2000 vereidigt. Der studierte Politikwissenschaftler, der Vater von fünf Kindern ist, gilt als offener Monarch und praktischer Europäer. Als Nachfolger ist bereits sein ältester Sohn Guillaume (29) vorgesehen, der den Titel Erbgroßherzog trägt. Das Schloss des Großherzogs liegt in Colmar- Berg. Luxemburg ist das einzige Großherzogtum der Welt.
Das luxemburgische Herrscherhaus entstand 1890 aus dem deutschen Haus Nassau-Weilburg, weil die Herrschaft des niederländischen Hauses Oranien-Nassau in Luxemburg mangels eines männlichen Erben endete.
Der Großherzog verfügt als Staatsoberhaupt formal über weitreichende exekutive und legislative Befugnisse: Er ernennt und entlässt die Regierung und vollzieht alle Gesetze. Faktisch nimmt er aber repräsentative Aufgaben wahr.

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