Mustermanns aus dem Ländchen

Luxemburg · Eine Durchschnittsfamilie in Luxemburg gibt 4000 Euro im Monat aus. Das sagen jedenfalls die Statistiker. Dafür ernten sie aber Hohn und Spott. Das teure Leben im Nachbarland.

Luxemburg Marie, Jean und ihre Kinder Lis und Theo sind eine durchschnittliche luxemburgische Familie. Jedenfalls in den Augen der Statistiker. Die 42-Jährige und ihr ein Jahr älterer Mann arbeiten Vollzeit, die 14-jährige Tochter geht aufs Gymnasium, der Zehnjährige in die Grundschule. Alle vier, so heißt es ausdrücklich in der Berechnung der luxemburgischen Statistikbehörde Statec, seien sehr gesund und benötigten keine speziellen Medikamente.
3935 Euro bräuchte die Familie pro Monat, um in Luxemburg leben zu können, fanden die Statistiker heraus. Und diese Zahl stößt im Nachbarland auf heftige Kritik. "Was für ein Blödsinn ... 4000 Euro für eine vierköpfige Familie", lautet etwa ein Leserkommentar auf der Internetseite der Tageszeitung Tageblatt. Die Zeitung selbst spricht von einer "schrecklich utopischen Familie". Die Statec-Rechnung sei nicht grundsätzlich falsch, aber unrealistisch, heißt es in der Zeitung. Und weiter: "Dass eine Familie so viel Glück hat, ist ziemlich unwahrscheinlich. Niemand ist krank. Nichts geht kaputt. Alles läuft nach Plan. Übrigens bekommen Marie, Jean, Lis und Theo auch den Preis der sparsamsten Familie Luxemburgs. Glückwunsch."
Und in der Tat. Betrachtet man sich die einzeln aufgelisteten Ausgabenposten, muss man bezweifeln, dass die fiktive Familie tatsächlich mit rund 4000 Euro auskommt. Laut Statec-Angaben lebt die Familie in einem 100-Quadratmeter-Appartement in einer größeren Stadt außerhalb der Hauptstadt. 1191 Euro Miete sollen sie dafür bezahlen. Allerdings bekommt man für den Preis laut der staatlichen Wohnungsmarkt-Beobachtung noch nicht einmal ein Ein-Zimmer-Appartement. Für drei bis vier Zimmer waren demnach im vergangenen Jahr zwischen 2130 und 2874 Euro (ohne Nebenkosten) fällig.
Zusammen mit Nebenkosten kommen die Statistiker für die Musterfamilie auf 1469 Euro Wohnkosten pro Monat. Kommentar eines Tageblatt-Lesers auf der Internet-Seite der Zeitung: "Was? 1200 Euro Miete für 100 Quadratmeter ... In der Stadt bekommt man dafür einen Stellplatz fürs Auto." Und: "Nirgendwo hier im Land kann eine vierköpfige Familie mit 1400 Euro wohnen." Das Statec selbst hat im vergangenen Jahr ausgerechnet, dass die Immobilienpreise im vergangenen Jahr um fast sechs Prozent gestiegen sind.
In Deutschland werden die durchschnittlichen Wohnausgaben für eine Familie mit 1082 Euro angegeben. In vielen Großstädten wie etwa Trier dürfte es allerdings auch schwierig sein, für diesen Preis etwas Passendes zu finden. Statistiker gehen für eine deutsche Musterfamilie von Gesamtausgaben von 3426 Euro im Monat aus.
Zurück zu Marie, Jean und ihren Kindern. Sie kommen, davon geht jedenfalls Statec aus, mit 883 Euro pro Monat fürs Essen aus. 217 Euro sind für Fleisch, Fisch und Eier im Monat vorgesehen, 45 Euro für Getränke. Legt man nun zugrunde, dass die EU-Statistikbehörde Eurostat die Supermarktpreise in Luxemburg als überdurchschnittlich (sind 19 Prozent teurer als in anderen EU-Ländern) bezeichnet - eine Tatsache, die jeder, der in Luxemburg schon mal einkaufen war, ohne weiteres bestätigen kann - , dann zeigt sich schnell, dass die Familie Mustermann aus dem Ländchen mit rund 900 Euro für Lebensmittel nur schwer auskommen dürfte. Falls sie ausschließlich in Luxemburg einkauft und nicht, wie es immer mehr Bewohner des Großherzogtums machen, über die Grenze nach Deutschland fahren, um sich dort die Einkaufswagen zu füllen. Laut Eurostat liegen in Luxemburg die Fleischpreise 31 Prozent über dem EU-Durchschnitt, Milch, Käse und Eier 22 Prozent darüber. Brot und Getreideprodukte sowie Fisch kosten im Schnitt 13 Prozent mehr als in anderen EU-Ländern, Früchte, Gemüse und Kartoffeln sind 14 Prozent teurer.
Als ein Beispiel dafür, wie unrealistisch die Berechnungen für die luxemburgische Musterfamilie sind, nennt das Tageblatt auch, dass für Vater Jean gerade mal 12,75 Euro zur Verfügung stehen, um einmal in der Woche mit seinen Kumpels ein Bier trinken und Pommes essen zu gehen. Bei im Schnitt fünf Euro für den halben Liter Bier in Luxemburger Kneipen wird klar, dass der Vater für 12,75 Euro vergleichsweise nüchtern nach Hause kommen dürfte. Für die Mutter sind übrigens keine vergleichbaren Ausgaben veranschlagt.
Bescheiden ist die Familie auch, was die Technik im Haus angeht. Lediglich 79 Euro hat Statec für den Kauf von Smartphones veranschlagt. Dass es für diesen Preis kaum passable Geräte gibt, die dem heutigen Standard entsprechen, verschweigen die Statistiker. Genauso, wie eine vierköpfige Familie mit lediglich 1000 Euro für einen Urlaub auskommen soll. Weit können sie jedenfalls nicht fahren, denn es sind lediglich 50 Euro Spritkosten veranschlagt. Und in der Hauptreisezeit können sie auch nicht wegfahren. Denn ein Appartement für eine vierköpfige Familie in den Ferien dürfte nur schwer für 550 Euro zu haben sein.
Fazit: Die Statec-Berechnungen zeigen zwar ansatzweise, dass das Leben in Luxemburg teurer ist als etwa das in Deutschland. Aber sie berücksichtigen längst nicht die wirklichen Kosten im Nachbarland, was wiederum eine Erklärung für die zum Teil höheren Löhne jenseits der Grenze ist. Rund 4000 Euro für eine Durchschnittsfamilie dürften daher in der Tat utopisch sein.IMMOBILIENPREISE STEIGEN WEITER AN


Extra

(wie) Seit Jahren wird wohnen in Luxemburg immer teurer. Laut der staatlichen Wohnungsbeobachtung sind die durchschnittlichen Kaufpreise für Appartements und Häuser allein im vergangenen Jahr um sieben Prozent gestiegen, in einigen Regionen des Landes um über zwölf Prozent. Für ein durchschnittliches Haus müssen im Nachbarland rund 770 000 Euro bezahlt werden, für ein Appartement 493 000 Euro.

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