Religion Neuer Luxemburger Weihbischof im Interview

Luxemburg · Léo Wagener, der neue Luxemburger Weihbischof: Was ihn mit Trier verbindet, was er zum Zölibat sagt.

 Léo Wagener, der neue Luxemburger Weihbischof.

Léo Wagener, der neue Luxemburger Weihbischof.

Foto: Tageblatt

Der Computer wirkt ein wenig fremd in dem großzügigen, antik eingerichteten Büro, in dem Léo Wagener, der neue Luxemburger Weihbischof, seine Arbeit verrichtet. „Ich habe keine Dienstwohnung, keinen großen Mitarbeiterstab und fahre selbst zu meinen Terminen“, sagt der neue Hausherr. Das mit dem Amt des obersten Kirchenvaters verbundene Prestige strebt er nicht an, selbst wenn er Kardinal Jean-Claude Hollerich künftig bei vielen offiziellen Anlässen vertreten muss.

Viel Zeit zum Eingewöhnen ist ihm sowieso nicht geblieben. Der neue hohe Luxemburger Würdenträger ist seit seiner Erhebung in Rom, wo er an der Amazonas-­Synode teilnimmt, bevor er Papst Franziskus nach Japan begleitet.

Seine Ernennung verdanke er dem guten Draht des Erzbischofs zum Papst, welcher „viel Wert auf eine praxisbezogene Amtswahrnehmung legt“, sagt Wagener.

Hier vor Ort werden der Erzbischof und sein Ersatzmann komplementär arbeiten. Der Erzbischof macht die Ernennungen und erlässt die Dekrete. Léo Wagener springt ein, wenn Hollerich verhindert ist. Der neue Weihbischof übernimmt vor allem pastorale Aufgaben wie zum Beispiel die Firmungen. Den Dienst an der Oktav wollen beide Männer im kommenden Jahr untereinander aufteilen.

Vorerst freut sich Léo Wagener darauf, künftig wieder mehr pastorale Aufgaben übernehmen zu dürfen. Sie bilden in seinen Augen immer noch die Basis des Priesterberufs. Dabei betritt er kein unbekanntes Terrain. Bevor er in seiner Eigenschaft als Generalvikar zum Finanzchef des Erzbistums wurde und dieses durch die Mäander der Trennung von Kirche und Staat und der Neuorganisation der katholischen Kirche führen musste, durchlief er eine vielseitige pastorale Karriere.

Genau wie Jean-Claude Hollerich hat Léo Wagener schon sehr früh gewusst, dass er einen seelsorgerischen Beruf ergreifen würde. Der Weg des 1962 geborenen Weihbischofs war ein praktischer: Die Primärschule besuchte er in seinem Heimatdorf Hoscheid, das klassische Abitur machte er 1982 im Diekircher Lyzeum, danach ging er ins Priesterseminar und studierte Theologie und Philosophie in Trier und in Paris. 1988 erhielt er die Priesterweihe und wurde Kaplan in Diekirch, bald darauf auch Seelsorger der „Jongbaueren a Jongwënzer“ und der „Lëtzebuerger Landjugend“, 1993 kamen noch die Pfadfinder dazu. „Im Kontakt mit diesen jungen Menschen habe ich viel gelernt“, sagt Wagener rückblickend. Sie beschreiben ihn als humorvoll und aufmerksam, im Gespräch wirkt er besonnen und zurückhaltend.

Schlag auf Schlag ging es in Léo Wageners beruflicher Laufbahn weiter. Bereits zwei Jahre nach seiner Weihe, knapp 28 Jahre alt, wurde er Pfarrer in Steinbrücken. Dort blieb er 16 Jahre lang, was ihm seine damaligen Pfarrkinder mit der Konzipierung und Finanzierung seines Bischofsstabs dankten. 2006 wechselte er nach Bonneweg, wo sein starkes Engagement für die Obdachlosen in Erinnerung bleibt.

Acht Jahre später wurde ihm die Pfarrei Walferdingen anvertraut. Seit 30 Jahren begleitet er die Pilgerfahrten der „Foulards blancs“ nach Lourdes.

In seinem neuen Amt betritt Léo Wagener kein unbekanntes Terrain. Schon früh hat er neben seinen pastoralen auch verwaltungstechnische Aufgaben übernommen. Er ist seit 1993 im Vorstand des Priesterrates und des Pastoralrates der Diözese. 2010 wurde er Regionaldechant, 2014 nahm er als Bischofsvikar an einer außerordentlichen Bischofs­synode zu Fragen der Familienpastoral im Vatikan teil. Und als Generalvikar Erny Gillen sein Amt 2015 niederlegte, übernahm Léo Wagener dessen Nachfolge und wurde Verwaltungschef der Erzdiözese.

Große Sorgen bereitet dem langjährigen, praxisbezogenen Seelsorger nach eigener Aussage die Loslösung der Jugend von der Kirche. „Die Erhaltung und Weitervermittlung des Glaubens ist die ganz große Verantwortung aller Glaubensgemeinschaften in den nächsten Jahren“, sagt er. „Unsere moderne, schnelllebige Gesellschaft nimmt sich keine Zeit mehr für die Ruhe und Tiefe des Glaubens. Sie setzt eher auf Individualität als auf die Gemeinschaft.“

Automatismen seien zurückgegangen, feste, religiöse Dreh- und Angelpunkte wie Taufe, Kommunion, Konfirmation, kirchliche Trauung gingen verloren, selbst die religiösen Beerdigungen werden immer weniger.

„Die Religionen müssen sich ihre Daseinsberechtigung neu erarbeiten“, führt Wagener weiter aus. Einzelne Lösungsansätze kann er schon auflisten: Die Glaubwürdigkeit ist ihm wichtig, ebenso die Sprache, die dem Alltag der Menschen entsprechen muss, und die Qualität der Seelsorge. Die Kirche müsse, mehr noch als in der Vergangenheit, auf die Menschen zugehen, sich um sie kümmern.

Mit dieser Loslösung von der religiösen Gemeinschaft ist die katholische Kirche nicht allein, die Frage stellt sich allen Glaubensgemeinschaften. Das weiß Wagener nicht zuletzt, weil die Kirchen in Luxemburg bei den Verhandlungen über die Loslösung vom Staatssäckel näher zusammengerückt sind, da sie alle die gleichen Probleme haben. „Ich kenne sowohl den Großrabbiner wie auch den Imam und den Pastor der evangelischen Kirche persönlich. Wir stehen in regelmäßigem Dialog“, sagt der Weihbischof.

Natürlich stellt sich angesichts dieser Krise allen Kirchen die Frage nach einer eventuellen Öffnung. Hier wird der an sich sehr offene Weihbischof zurückhaltend. Das müsse die Kirche intern regeln, meint er.

Die Zulassung von Frauen zur Priesterweihe oder die Loslösung der Priester vom Zölibat würden ohnehin nicht mehr Gläubige in die Kirchen bringen. „Nichts mehr ist selbstverständlich“, so sein persönliches Fazit.

Die Autorin Claude Wolf arbeitet für das Luxemburger Tageblatt

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