Petition in Luxemburg Bescheinigung der Jungfräulichkeit soll verboten werden

Das luxemburgische Parlament wird sich nach der Wahl mit einer Petition auseinandersetzen, die das Verbot des sogenannten „Certificat de virginité“ verlangt. Diese „Jungfräulichkeitsbescheinigungen sind ein Unding“, sagen die Initiatorinnen.

 Luxemburgische Abgeordnetenkammer (Archivbild vom 20. Oktober 2022)

Luxemburgische Abgeordnetenkammer (Archivbild vom 20. Oktober 2022)

Foto: chd.lu

Persönliche Erfahrungen mit Schülerinnen haben die luxemburgische Sozialarbeiterin Enji Ismaili und die Französischlehrerin Sandra Dessi dazu bewogen, die Petition 2755 zu starten. „Jungfräulichkeitsbescheinigungen sind ein Unding“, sagen sie.

Die beiden Frauen arbeiten im Lycée Bel-Val in der südluxemburgischen Gemeinde Sassenheim. Sandra Dessi erzählt, wie vor geraumer Zeit eine Schülerin der „Septima“ sich ihr anvertraut habe. Das Mädchen habe einen Jungen geküsst. Eine normale Sache. Scheinbar nicht für die Mutter des Mädchens. Diese sei in die Schule gekommen und habe Sandra Dessi eine Bescheinigung gezeigt, der zufolge ihre Tochter Jungfrau sei. „Die Frau wollte mir mitteilen, dass ihre Tochter ,sauber‘ sei, ein ehrenwertes Mädchen“, so Sandra Dessi.

Später sei das Mädchen gemobbt worden. Jungs aus der Schule hätten von der Bescheinigung gewusst und das Mädchen aufgefordert, bei der einen oder anderen Sache mitzumachen, ansonsten würden sie seiner Mutter erzählen, es habe wieder einen Jungen geküsst oder gar Sex gehabt.

Sandra Dessi hat daraufhin Kontakt mit der Sozialarbeiterin der Schule aufgenommen. Enji Ismaili habe ihr eine ähnliche Geschichte erzählt. Von einem etwas älteren Mädchen, das zu Hause ein Jungfräulichkeitszertifikat habe vorlegen müssen, um weiter gelitten zu sein. „Dieses Mädchen konnte nicht anders, als zum Arzt gehen, um sich die Bescheinigung zu verschaffen. Ein Nein wäre in der Familie nicht akzeptiert worden“, so Enji Ismaili. Sie und Sandra Dessi kommen zum Entschluss, dass etwas gegen die Praxis der Bescheinigungen gemacht werden müsse. Auch, weil es medizinisch nicht verlässlich nachweisbar sei, dass ein Mädchen noch Jungfrau sei.

„Wir wollen ganz einfach erreichen, dass Jungfräulichkeitsbescheinigungen gesetzlich verboten werden, wie in Belgien, Frankreich und Großbritannien“, sagen die beiden Frauen. Sie sprechen von der Angst, die ihre Schülerinnen gehabt hätten, sie reden von Unmenschlichkeit, Wut, Einschüchterung und Verzweiflung. „Wenn das Zertifikat illegal ist, kann man Anzeige erstatten und legal dagegen vorgehen.“

Die Lehrerin und die Sozialarbeiterin gehen von einer hohen Dunkelziffer aus. „Es wird nicht viel darüber geredet, es scheint ein Tabu zu sein.“ Ein Gynäkologe in Luxemburg sagt, er würde die Bescheinigung ausstellen, um Mädchen zu helfen, sie zu schützen. Das können Sandra Dessi und Enji Ismaili nachvollziehen, sehen aber nicht, was es wirklich bringt. Auch dass ein Gesetz die Sache in dunkle Kanäle treiben könne, sei letztendlich kein Argument, wenn man Frauen und Mädchen wirklich schützen möchte. „Es wird viel gemacht, um Frauenrechte zu wahren, das hier gehört auch dazu, es ist eine Frage der Menschenrechte.“

Verkorkste Ansichten

Den beiden Frauen ist wichtig zu unterstreichen, dass sie mit ihrer Petition keine bestimmte Religionsgemeinschaft visieren. Merkwürdiges und rückständiges Denken gebe es in vielen gesellschaftlichen Kreisen und Kulturen. Jungfräulichkeitsbescheinigungen seien ein soziales Konstrukt. Manchmal würden religiöse Ansichten dahinterstecken, manchmal aber einfach andere Wertvorstellungen, verkorkste Ansichten. Eine Frage der Ehre? Vor allem aber Stereotypen im Rollenbild von Frau und Mann. Jungfräulichkeitsbescheinigungen seien Ausdruck sexistischer und patriarchaler Gesellschaftsstrukturen und sollten deshalb unter Strafe gestellt werden. Darüber hinaus bedürfe es zur Behebung der Ursachen des Problems vor allem Aufklärung und Bildung, um sexistische Strukturen und Stereotype zu bekämpfen.

Sandra Dessi bemängelt, dass von offizieller Stelle nicht klarer Stellung bezogen wird. 5276 Menschen aber haben das getan, die Petition 2755 unterschrieben. Unterstützung bekam die Petition unter anderem vom „Planning familial“ und von „CID Fraen an Gender“.

Da die Petition zum Verbot der sogenannten „certificats de virginité“ die nötige Zahl an Unterschriften erreicht hat, wird sie in der luxemburgischen Abgeordnetenkammer diskutiert werden müssen. Allerdings erst, wenn die neue Regierung steht, nach den Wahlen im Oktober.

Quelle: Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Tageblatts.