Wann et knuppt ... vor dem Friedensgericht Änderungen der luxemburgischen Zivilprozessordnung

Seit dem 16.September 2021 ist eine Reihe von Änderungen der luxemburgischen Zivilprozessordnung in Kraft. Eine wichtige Regelung betrifft die Streitwertgrenze. Ab dem vorgenannten Stichtag sind die Friedensgerichte bis zu einer Höhe von 15 000 Euro zuständig.

 Franz Peter  Basten.

Franz Peter Basten.

Foto: Sabine Schwadorf

Bis zu 2000 Euro Streitwert entscheidet der Fiedensrichter in letzter Instanz. Das heißt: Ein Rechtsmittel ist dann gegen die Entscheidung des Friedensrichters nicht möglich. In Deutschland liegen diese Grenzen bei 5000 Euro beziehungsweise bei 600 Euro. In der Praxis hat das zur Folge, dass die weit überwiegende Zahl der Verkehrsunfälle im Streitfall vor dem Friedensrichter anhängig gemacht werden muss. Für die Vertretung vor dem Friedensgericht besteht – wie bisher – kein Anwaltszwang. Der Geschädigte kann also ohne anwaltlichen Beistand eine Klage einreichen und sich vor dem Friedensgericht selbst verteidigen. Allerdings muss er wissen, dass er nicht direkt durch einfache Schrift bei Gericht eine Klage einreichen kann, sondern dass die Schadensersatzklage im Wege einer sogenannten „citation“ zu erheben ist.

Der Kläger muss also zu Zustellungszwecken einen Gerichtsvollzieher beauftragen. Theoretisch kann die Klage auch in deutscher Sprache eingereicht werden,da deutsch zu den drei in Luxemburg anerkannten Amtssprachen gehört und nur die Gesetzessprache verbindlich französisch ist. Da aber Code civil und Verfahrensgesetze nur auf französisch vorliegen,halten sich Gerichtsvollzieher und Richter – ausgebildet und sozialisiert in der französischen Rechtskultur – bei ihren schriftlichen Aktivitäten zunächst an die Sprache,in denen die Gesetze geschrieben sind. Die „citation“ enthält gesetzlich vorgeschriebene Formalien,die der Gerichtsvollzieher beachten muss. Deshalb wird möglicherweise auch bei in deutscher Sprache abgefasster Klage die „citation“ französischsprachige Elemente enthalten, die der Kläger dann nicht versteht. Das Gericht wird vermutlich weiterhin seine schriftlichen Verfügungen, zum Beispiel Ladungen, und Hinweise in französischer Sprache abfassen. Auch wird das Urteil in französischer Sprache ergehen.

So eindrucksvoll die luxemburgischen Gerichte im mündlichen Umgang mit Parteien und Zeugen vor Gericht von einer Sprache in die andere wechseln, so unbeweglich „französisch“ ist bisher die schriftliche Prozedur. Es ist offensichtlich nicht so einfach, jahrhundertealte und sehr unterschiedliche Prozesskulturen an die Interessen des Bürgers, der in stark verflochtenen Grenzräumen sein Recht sucht,anzupassen. Zur Vermeidung von Nachteilen ist dem rechtsuchenden Bürger jedenfalls nicht zu empfehlen,ohne rechtlichen Beistand vor ein luxemburgisches Gericht zu ziehen.

Franz Peter Basten (77) ist seit 2004 in Luxemburg als Anwalt zugelassen, seit 2007 als avocat à la Cour, was zur Vertretung auch an den obersten Gerichten Luxemburgs berechtigt, einschließlich der Cour de Cassation, dem höchsten Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit und damit nicht nur das höchste Gericht in Zivilsachen, sondern auch in Strafsachen.

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