Gesundheit Investition in die Gesundheit des Teams

Trier/Luxemburg · Der Kampf um die besten Fachkräfte ist dies- und jenseits der Grenze groß. Und die Betriebe müssen sich einiges einfallen lassen, um die Beschäftigten nicht nur zu gewinnen, sondern auch lange im Job zu halten. Tipps dazu bot der Austausch beim digitalen Deutsch-Luxemburgischen Wirtschaftsabend.

 Mit der Corona-Pandemie und der Arbeit vieler im Homeoffice ist rückenfreundliches Arbeiten und die optimale Körperhaltung am Schreibtisch oft ins Hintertreffen geraten. Dabei ist die Gesundheit und Fitness der Mitarbeiter dies- und jenseits der Grenze auch künftig wichtig.

Mit der Corona-Pandemie und der Arbeit vieler im Homeoffice ist rückenfreundliches Arbeiten und die optimale Körperhaltung am Schreibtisch oft ins Hintertreffen geraten. Dabei ist die Gesundheit und Fitness der Mitarbeiter dies- und jenseits der Grenze auch künftig wichtig.

Foto: obs/Felix Christ

Ob es ein Schrittzähler ist, mit dem Schreinermeister und Trierer Handwerkspräsident Rudi Müller die Laufbelastung seiner Mitarbeiter vom Azubi bis zum Senior gemessen hat, ein Müslistand zur Selbstbedienung, eine App zur Messung der eigenen Fitness sowie Tipps zur Verbesserung von Schlaf- und Ernährunggewohnheiten bei dem Luxemburger Versicherungsunternehmen DKV oder ein Modulsystem mit einem individuellen Gesundheitsbudget, wie es das Trierer Unternehmen Infinkon Health (INH) für ihre Kunden empfiehlt: Das Thema „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ (BGM) geht vom Chef bis zum Lehrling alle an.

Auch wenn der Begriff sperrig ist, der Kern ist einfach: Wie schaffen es Unternehmen in der Region Trier und im benachbarten Luxemburg, ihre Beschäftigten lange fit, motiviert und effizient zu halten? Und dies alles angesichts von Corona, Fachkräftemangel, demografischem Wandel und sozialer sowie privater Mehrfachbelastung. Und so ist das Thema beim digitalen Deutsch-Luxemburgischen Wirtschaftsabend des Netzwerkes DLWI (Deutsch-Luxemburgische Wirtschaftsinitiative) mit rund 40 Gästen nicht nur pandemiebewegt, sondern eines mit Sprengkraft für die Zukunft.

„Vor Corona war die Fachkräftesicherung das beherrschende Thema und das Betriebsrisiko Nummer eins“, sagt Jan Glockauer, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Trier als diesmaliger Ausrichter des Treffens. Damals sei das BGM als wichtiges „Puzzleteil gesehen worden, um etwas gegen den Mangel an Fachkräften zu tun“, sagt er.

Mit der Pandemie sei die Bedeutung fitter Mitarbeiter angesichts vieler Beschäftigter im Homeoffice sowohl aus physischer als auch aus psychischer Sicht nochmals gestiegen. „Wir sollten deshalb die Erfahrungen aus den vergangenen Monaten nutzen und künftig in die betrieblichen Abläufe integrieren“, plädiert der IHK-Chef.

Dabei bedeutet das BGM nicht allein, den Fehlstand kranker Beschäftigter zu reduzieren, sondern alles dafür zu tun, dass die sich nicht krank zur Arbeit schleppen. „Lange fit zu sein und arbeiten zu können bedeutet für den Arbeitgeber mehr Motivation und Leistung und weniger Kosten, für den Arbeitnehmer weniger Belastung, weniger Risiken, ein Mehr an Lebensqualität und Zufriedenheit und damit Leistung“, stellt Ergotherapeutin Kirsty Meyer aus Morscholz klar. Fehle etwas davon, warum auch immer, steige das Krankheitsrisiko. Allein schon das viele Sitzen im Homeoffice stelle eine große Gefahr dar: „Sitzen ist das neue Rauchen“, hat Meyer festgestellt. Die Folgen seien noch gar nicht absehbar.

13,3 Tage fehlt ein Arbeitnehmer derzeit im Schnitt im Jahr, in Branchen wie der Pflege sogar gut 28 Tage. Das heißt, dass damit der gesamten Wirtschaft und Gesellschaft eine Wertschöpfung von 148 Milliarden Euro im Jahr entgehen. Deshalb sei es wichtig, „die Arbeitsbedingungen an den Menschen anzupassen und nicht umgekehrt“, sagt Meyer. Schließlich komme für einen Euro im Gesundheitsschutz und in der -Förderung laut Berechnungen das Zwei- bis Fünffache ans Unternehmen wieder zurück.

Wie das gelingen kann, zeigt Stefan Pelger, Vorsitzender der Geschäftsleitung der DKV Luxembourg S.A., die Krankenversicherte in Deutschland und Luxemburg hat. So hat das Versicherungsunternehmen mit 108 Beschäftigten nicht nur eine betriebliche Krankenversicherung aufgebaut, sondern auch ein digitales Gesundheitsmanagement.

Heißt: Alle Beschäftigten können über eine App an einer Gesundheitsbefragung teilnehmen, die Bewegung, Ernährung, Stress und aktuelles Befinden misst und dann Vorschläge zur Umsetzung der individuellen Vorhaben macht. „Während der Mitarbeiter auf sich zugeschnittene Tipps bekommt, erhalten wir kummulierte Daten, die uns keinen Einblick in einzelne Personen geben, aber zeigen, was wie funktioniert und wo wir als Betrieb ansetzen können“, sagt Pelger. Deshalb biete das Unternehmen Sportveranstaltungen, ein Müsliboard und Fitnessoptionen an.

„Mitarbeiter haben sich auch zu einer Schritte-Challenge in der Mittagspause oder nach dem Dienst verabredet“, weiß der DKV-Chef. Es seien aber auch die kleinen Dinge, die für mehr Aktivität sorgten. „Ob es zur Motivation zum Treppensteigen ein Aushang am Lift ist oder eine Mitarbeiterbesprechung im kleinen Team über anderthalb Stunden als Spaziergang: Es gab und gibt einen bunten Strauß an Ideen.“

Ja, und die Kosten, wird sich manch Chef-Kollege fragen? Stefan Pelger ist offen: Im ersten Jahr gab die DKV fürs betriebliche Gesundheitsmanagement 26 500 Euro und damit pro Mitarbeiter 21 Euro im Monat aus, in den Folgejahren knapp 8000 Euro oder 6 Euro pro Monat und Mitarbeiter. „Natürlich kann man sich fragen, ob die Ausgaben wieder zurückkommen“, gesteht er. Aber Pelger findet die Investitionssumme „nicht abschreckend, sondern überschaubar.“ Vor allem aber habe es weniger langfristige Fehlzeiten durch Krankheit und weniger Mitarbeiterfluktuation gegeben: „Und Spaß macht es auch noch.“ Michael Reiszner, Chef des Trierer Unternehmens Infinkon Health (INH) und Anbieter von betrieblichem Gesundheitsmanagement in aktuell 14 Ländern, weiß, dass BGM in vielen Betrieben noch immer „stiefmütterlich“ behandelt wird. „Vor allem gefährlich ist es, nur nach dem finanziellen Aspekt zu schauen“, sagt er.

Es werde von Unternehmensseite zwar immer nach der Ideallösung gesucht, doch stelle sich die für jeden Beschäftigten anders dar. „Wichtiger ist es, auch alle Mitarbeiter  zu erreichen – selbst diejenigen, die sich zu jung, zu alt, zu gesund und nicht trainiert genug fühlen. Sonst funktioniert betriebliches Gesundheitsmanagement nicht“, sagt Reiszner. Und dabei es wichtig, jedem Mitarbeiter den für ihn passenden Zugang anzubieten. Auch müsse es Chefsache sein.

INH hat dazu das Modell des „Gesundheits-Ökosystem“ entwickelt, wonach die Mitarbeiter entsprechend einer Art persönlichem Budget das wählen, was ihnen zusagt. Ob Gesundheitsvorsorge wie Checks, Resilienz, Pflege-Unterstützung zu Hause, Online-Fitness oder ein Fahrrad-Leasing: „Jeder Mitarbeiter hat einen Gesundheitsbedarf, aber der sieht bei jedem anders aus“, hat der Unternehmer festgestellt.

Und so hat auch Handwerkspräsident Rudi Müller in seinem Schreinerbetrieb festgestellt, dass BGM „kein Luxus ist, sondern ein Erfolg, der erkennbar und messbar ist“, sagt er. So hat sich die Zahl der gelaufenen Kilometer an einem Tag in der Werkstatt um 60 Prozent reduziert, allein aufgrund der Tatsache, dass Maschinen und Werkzeug anders verteilt wurden. Müller: „Nach einigen Tagen haben die Beschäftigten berichtet, dass sie abends nicht mehr so kaputt und erschöpft sind und abends noch etwas vom Tage hatten.“

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