Steuerausgleich: Warum Luxemburg nicht allen Nachbarn Millionen überweist

Luxemburg · Das Großherzogtum verdient an Sprit Milliarden. Die meisten Tanktouristen kommen aus umliegenden Ländern. Steuerausgleich gibt es aber nur für Belgien.

Luxemburg und Belgien verbindet vieles. Bis zur Einführung des Euros hatten sie eine gemeinsame Währung. In einigen Ländern übernimmt Belgien in seinen Botschaften auch die Auslandsvertretung für Luxemburg. Und wenn die Luxemburger Armee mal Transportflugzeuge braucht, bedient sie sich denen der belgischen Luftwaffe. Außerdem arbeiten 31.000 Belgier im benachbarten Luxemburg. Sie tanken dort billigen Sprit und kaufen die billigeren Zigaretten. Für all das zahlt Luxemburg Geld an das Nachbarland. 30 Millionen Euro jedes Jahr.

Das bestätigte ein Vertreter des luxemburgischen Finanzministeriums auf Anfrage unserer Zeitung. Man wehrt sich aber im Großherzogtum gegen den Vorwurf, das Geld werde verschenkt. Das Ganze, so heißt es, habe historische Gründe. Seit 1922 gibt es eine Wirtschaftsunion zwischen beiden Ländern. Darin ist die wirtschaftliche Zusammenarbeit geregelt. Und auch die Steuern auf Genussmittel, die sogenannten Akzisen. Zunächst erhoben Belgien und Luxemburg die gleichen Steuer. Die Einnahmen flossen in einen gemeinsamen Topf und wurden aufgeteilt.

Ende der 1960er-Jahre durfte jedes der beiden Länder auch eigen Steuern etwa auf Zigaretten, Sprit oder Alkohol erheben. Allein durch den Verkauf von über zwei Milliarden Liter Sprit pro Jahr verdient Luxemburg pro Jahr knapp 745 Millionen Euro nur durch die Einnahmen der darauf fälligen Akzisen. Hinzu kommt noch die Mehrwertsteuer, die dem Luxemburger Staat zusätzlich noch gut 300 Millionen Euro in die Kasse spülen. Und der meiste Sprit in Luxemburg fließt in die Autos von Ausländern, größtenteils aus Deutschland, Frankreich und Belgien. Nach Schätzungen des luxemburgischen Zolls sind gut Zweidrittel der Tankstellen-Kunden im Großherzogtum keine Einheimischen.

Ähnlich dürfte es auch beim Verkauf von Tabakproduktion sein. Im vergangenen Jahr nahm Luxemburg durch Abgaben auf Zigaretten- und Tabakverkauf. 515 Millionen Euro ein. Und weil unter den Kunden an den Tankstellen auch viele Belgier sind und Luxemburg eine Wirtschaftsunion mit den Nachbarn hat, zahlt das Großherzogtum diesem quasi als Ausgleich für entgangene Akzisen einen Teil zurück. 2015 wurde die Höhe der jährlichen Ausgleichszahlungen von 18 auf 30 Millionen angehoben.

Darin enthalten ist auch die Kompensation für die Einkommenssteuer der 31.000 belgischen Grenzgänger, die diese in Luxemburg abführen. Das Geld, so ist im luxemburgischen Finanzministerium zu hören, wird an die belgische Zentralregierung nach Brüssel überwiesen. Und von dort wird ein Teil der 30 Millionen prozentual an die Kommunen verteilt, in denen mindestens fünf Prozent Luxemburgpendler leben. So fließen laut belgischer Regierung allein nach Arlon, der Hauptstadt der belgischen Provinz Luxemburg in diesem Jahr 6,9 Millionen Euro.

Haben denn nicht auch mal Frankreich oder das Saarland und vielleicht auch Rheinland-Pfalz beim luxemburgischen Finanzministerium nachgefragt, ob sie vielleicht auch einen Ausgleich für die fehlenden Steuereinnahmen der Pendler haben könnten? Solche Anfrage gebe es immer mal wieder, verlautet aus dem Ministerium. Aber weder mit Deutschland noch mit Frankreich gebe es nun einmal eine Wirtschaftsunion. Bis Ende des Ersten Weltkriegs hatte Luxemburg ein vergleichbares Abkommen mit Deutschland - der Deutsche Zollverein. Doch das Großherzogtum kündigte verständlicherweise die Mitgliedschaft in dem Verein des verfeindeten Nachbarlandes.

"Die Zahlungen an Belgien sind ein Sonderfall und sollten auch als ein solcher vor seinem historischen Hintergrund verstanden werden", sagt Christian Wille. Er ist Sozialwissenschaftler an der Uni Luxemburg und forscht über die Großregion. Deutschland und Frankreich müssten eigentlich dankbar sein, sagt Wille, dass in Luxemburg Grenzgänger arbeiteten und sich deren Heimatländer damit Sozialleistungen sparen.

Umgekehrt gelte das natürlich auch: "Müsste Luxemburg nicht auch Mittel für Mietsubventionen an Rheinland-Pfalz zahlen, um die Steigerung der Miet- und Immobilienpreise im Moselgebiet verursacht durch Zuziehende aus Luxemburg abzufangen?" Das "gegenseitige Aufrechnen zwischen den Regionen" werde zum Fass ohne Boden. Wille: "Je nach Betrachtungswinkel sind die Regionen Gewinner oder Verlierer. Wichtig ist, dass die Regionen jeweils sowohl Gewinner als auch Verlierer sind."

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