Steuerparadies Luxemburg - Juncker: Mit der Vergangenheit nichts mehr zu tun

Luxemburg · EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will nicht die Verantwortung übernehmen für Beihilfe zur Steuerhinterziehung in Luxemburg

 EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Foto: Patrick Seeger

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Foto: Patrick Seeger

Die beiden könnten gegensätzlicher kaum sein. Hier der grüne Europa-Politiker Sven Giegold - Überzeugungstäter, Attac-Gründer, der häufig etwas moralinsauer daherkommt, seit ewigen Zeiten dabei, aber mit seinen 47 immer noch irgendwie jung. Dort Jean-Claude Juncker (62), der gern auch mal ein Auge zudrückt, barock in seiner Lebensführung ist und charmant sein kann.

Giegold ist der Finanzexperte seiner Partei, Juncker seit 2014 EU-Kommissionspräsident. Davor hat er aber viele Jahre in der Finanzpolitik mitgemischt. Juncker war Finanzminister des Herzogtums und Chef der Eurogruppe. Wenn Juncker auf Giegold trifft, dann prallen zwei Welten der Finanzpolitik aufeinander. Giegold wirft Juncker seit langem vor, Komplize von großen Steuervermeidern gewesen zu sein, ihnen geholfen zu haben, die Steuerlast zu drücken.

Dienstag ist es wieder soweit: Diesmal geht es nicht wie vor einigen Monaten im so genannten Luxleaks-Ausschuss des Europa-Parlaments noch um Steuerabsprachen zwischen Finanzbeamten des Herzogtums aus der Junckers Zeit als Finanzminister und Großunternehmen wie Apple, Ikea oder der Deutschen Bank. Damals stritt Juncker seine Verantwortung für diese aggressiven Steuervermeidungsmodelle rundheraus ab, die die Steuerquote von Konzernen auf lächerliche Werte von ein Prozent gedrückt haben.

Diesmal geht es um das Geld von vermögenden Privatleuten. Giegold ist überzeugt, dass Luxemburg vor allem für steuerscheue schwerreiche Deutsche und Belgier zwischen 2005 und 2010 eine der weltweit ersten Adressen war. Während sich anderswo in der EU das Netz für Steuerhinterzieher immer enger zusammen zog, habe Luxemburg das Anlagekapital angesaugt, sich einen Namen gemacht als Steueroase mitten in der EU und damit Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet. Giegold hat recherchiert, dass die Gelder, die vermögende Deutsche in Luxemburg geparkt haben, um 250 Prozent angestiegen sind von etwa 100 Milliarden Dollar im Jahr 2000 auf 264 Milliarden Dollar Ende 2007.

Im Ausschuss wird Juncker 90 Minuten lang befragt, welche Rolle er dabei hatte. Giegold muss fast eine Stunde warten, bis er an die Reihe kommt. Er hört, wie Juncker um Verständnis dafür bittet, in den 2000er Jahren in Luxemburg nicht härter zugegriffen zu haben: "Wir lebten in einer anderen Welt. Wir gingen davon aus, dass eine hohe Quellensteuer dem automatischen Informationsaustausch gleich kommt." Juncker streitet noch einmal ab, dass er sich als Finanzminister jemals um die konkrete Besteuerung eines Unternehmens gekümmert habe. Dann verblüfft Juncker Giegold. Denn Juncker antwortet drei Mal mit einem knappen "Ja" auf Forderungen, die Giegold erhebt: Ja, er wolle dafür sorgen, verspricht Juncker, dass die Steuerbehörden der Mitgliedsländer untereinander zur Kooperation bei der Verfolgung von Steuerbetrug verpflichtet werden. Ja, er werde die task force der Kommission gegen Finanzkriminalität personell aufstocken. Und, ja, er werde sich dafür einsetzen, dass bei Steuerfragen im Rat nicht mehr Einstimmigkeit nötig ist.

Giegold ist erst einmal überrascht. Dann bescheinigt er, die Juncker-Kommission habe tatsächlich den Kampf gegen die Steuervermeidung aufgenommen. "Sie sind vom Saulus zum Paulus geworden." Giegold fordert aber von Juncker, reinen Tisch zu machen. "Sie müssen die Verantwortung dafür übernehmen, dass Luxemburg im Gremium der Mitgliedsstaaten jahrelang EU-weit wirksame Regelungen ausgebremst hat." Beim Schließen von Steuerschlupflöchern hätte die EU viel früher weiter sein können. In der EU-Steuerpolitik müssen Beschlüsse aber einstimmig gefällt werden. Luxemburg habe über Jahre blockiert, wo Deutschland, Frankreich und Italien voran gehen wollten. Zum Beispiel beim automatischen Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden der Mitgliedsstaaten, der den Finanzämtern wertvolle Hinweise über Kapital und die Erträge liefern würde. Schon vor der Finanzkrise sollte er auf EU-Ebene kommen. Luxemburg, aber auch Belgien und Österreich haben sich verweigert und stattdessen eine Quellensteuer auf die Kapitalerträge ausländischer Anleger erhoben und anonym an den Fiskus der jeweiligen Heimatländer abgeführt. Die Steuersätze waren mit 15 Prozent in 2005, 20 Prozent in 2008 zunächst extrem lukrativ für Anleger. Erst 2011 wurden sie auf 35 Prozent angehoben. Als dann in Luxemburg das Steuerumfeld nicht mehr so attraktiv war, haben vor Ort ansässige Banker geholfen, Gelder von privaten Bankkonten zu Briefkastenfirmen in Steueroasen wie Panama, den Cayman Islands und den Seychellen zu transferieren. Giegold hat hochgerechnet, dass die auf Beihilfe zur Steuerumgehung und Steuervermeidung spezialisierte Finanzindustrie in Luxemburg den anderen EU-Ländern Steuerausfälle in Höhe von 353 Milliarden Euro beschert hat.

Die politische Verantwortung übernehmen? Diesen Gefallen tut Juncker Giegold dann aber doch nicht. Juncker: "Ich würde mir wünschen, dass meine Glaubwürdigkeit daran gemessen wird, welche Steuer-Initiativen ich als EU-Kommissionspräsident eingeleitet habe."

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