"Wir wissen, wie wichtig Kultur für das gesellschaftliche Zusammenleben ist"

Eine Karriere, wie es sie wohl nur in Luxemburg gibt: Lydie Polfer wurde schon mit 29 Bürgermeisterin von Luxemburg-Stadt - was sie 17 Jahre blieb. 1999 berief Jean-Claude Juncker sie für fünf Jahre zur Außenministerin. Von 2004 bis 2008 saß sie im Europaparlament, danach kehrte sie als Kulturdezernentin unter ihrem Nachfolger Paul Helminger in den Schöffenrat der Stadt zurück.

TV: Frau Polfer, die ganze Welt redet von Krise, überall wird an der Kultur gespart, nur in Luxemburg scheint alles zu florieren …
Polfer: Ganz so ist es nicht. Als vor zwei Jahren die Krise wirklich durchschlug und die Stadt zehn Prozent Kosten einsparen musste, galt das auch für die Kultur-Einrichtungen. Die Einrichtungen konnten aber selbst festlegen, wo sie sparen wollten.
Klar war aber immer, dass bei der Kultur auf keinen Fall mehr beschnitten wird als in anderen Bereichen.
Liest man die Programme für die bevorstehenden Kommunalwahlen in Luxemburg, dann machen sich alle Parteien für die Kultur stark. Man hat das Gefühl, sie besitzt eine hohe Priorität. In Deutschland geht es der Kultur derzeit eher an den Kragen …
Polfer: Das ist schade. Aber wir wissen, was für eine wichtige Rolle die Kultur beim Zusammenhalt der Gesellschaft spielt. Sie ist ein echter Integrationsfaktor, gerade bei uns, wo 65 Prozent der Menschen, die hier leben und arbeiten, keine Luxemburger sind. Wir fördern auch keineswegs nur die Hochkultur, sondern auch die Kulturarbeit in den Stadtvierteln.
Sie haben im vergangenen Jahr eine große Strukturreform eingeleitet, die städtischen Theater sind jetzt unter einem Dach. Da gab es doch einige Bedenken, dass das kleine Kapuzinertheater seinen eigenständigen Charakter verliert. Wie sehen Sie die Entwicklung?
Polfer: Sehr positiv. Die Zusammenarbeit ermöglicht uns, mit den bestehenden Ressourcen und dem vorhandenen Personal mehr zu machen. Vor allem im technischen Bereich sind wir flexibler. Und die Produktionen leiden nicht darunter. Das wird man in dieser Saison sehen.
Als Außenstehender hat man manchmal das Gefühl, das breite Kultur-Angebot in Luxemburg führe fast schon zu einer Art "Overkill". Geht Ihnen das auch manchmal so?
Polfer: Es ist einfach unmöglich, alles wahrzunehmen, sonst müsste man dauerhaft Urlaub haben. Selbst ich muss oft Nein sagen, weil es einfach nicht geht. Manchmal könnte weniger vielleicht mehr sein. Aber andererseits: Sie sehen ja, dass die meisten Vorstellungen voll sind, das Angebot trifft offenbar den Nerv der Leute. Und es sind ja nicht nur die in Luxemburg Wohnenden, die zu den Konzerten oder ins Theater kommen, wir haben ja ein riesiges Einzugsgebiet.
Eine Kultur-Einrichtung hat zurzeit Sendepause, das sind die tollen Rotunden des Kulturhauptstadtjahrs. Die zweite sollte doch längst renoviert sein, dann gäbe es hinter dem Bahnhof ein richtiges Kulturzentrum …
Polfer: Da müssen sie den Staat fragen, der ist Eigentümer, nicht die Stadt Luxemburg. Das scheint sich zu verzögern, und es ist im Moment schwer zu sagen, wie lange. Aber ich bin mir sicher, dass es dort irgendwann eine neue Kulturstätte geben wird. DiL

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