Affären Umstrittener Kinderpsychiater Winterhoff auch in Rheinland-Pfalz aktiv

Trier · Die Diskussionen über den umstrittenen Bonner Kinder- und Jugendpsychiater Michael Winterhoff gehen weiter. Inzwischen ist klar: Der 66-Jährige ist auch in Rheinland-Pfalz aktiv.

Bis vor kurzem konnte sich der bekannte Kinderpsychiater und Buchautor Michael Winterhoff vor Einladungen zu Vorträgen und in Fernsehsendungen nicht retten. Inzwischen aber ist der 66-Jährige vielerorts zu einer unerwünschten Person erklärt worden. Das Bistum Trier lud Winterhoff erst vor kurzem für einen für vergangene Woche geplanten Vortrag auf dem Diözesantag der Kinder- und Jugendhilfe wieder aus. Man nehme die Vorwürfe gegen den Bonner Psychiater sehr ernst, hieß es zur Begründung.  Sprechvermerk hervorgeht. Auch von anderen Veranstaltern wurde Winterhoff nach lauter werdender Kritik an seinen Diagnosen und Behandlungsmethoden wieder ausgeladen.

Inzwischen steht fest: Der bekannte Arzt und Autor („Warum unsere Kinder Tyrannen werden“) behandelte auch viele Kinder und Jugendliche in Rheinland-Pfalz. Das sagte Staatssekretär David Profit im Familienausschuss des Mainzer Landtags, wie aus dem volksfreund.de vorliegenden Sprechvermerk hervorgeht.

Umstrittener Kinderpsychiater Michael Winterhoff war auch in Rheinland-Pfalz aktiv

Danach hat das Landesjugendamt nach Bekanntwerden der Vorwürfe alle 220 Einrichtungen der stationären Hilfen zur Erziehung, 20 Einrichtungen der stationären Eingliederungshilfe für Minderjährige sowie alle 41 kommunalen Jugendämter angeschrieben. Ein Drittel der Adressaten hätten sich bislang zurückgemeldet. Ergebnis: Neun Jugendämter und 17 Einrichtungen überwiegend aus dem nördlichen Rheinland-Pfalz haben nach Angaben des Staatssekretärs bis dato eine Zusammenarbeit mit Winterhoff angezeigt.

Bei den Jugendämtern habe es sich um Einzelfälle gehandelt, in denen Winterhoff aktiv gewesen sei. Dagegen habe es bei fünf Einrichtungen „nicht nur eine einzelfallbezogene, sondern eine intensivere Zusammenarbeit“ gegeben, sagte Profit im Familienausschuss. Um welche Einrichtungen es sich handelt, wurde zunächst nicht bekannt. Aus der Region Trier soll aber kein Jugendamt oder Heim darunter sein, hieß es auf Nachfrage von volksfreund.de

Landesjugendamt prüft die konkrete Sachlage

 Das Landesjugendamt habe aber bereits angekündigt, auf diese Einrichtungen zuzugehen und die konkrete Sachlage zu prüfen. Die Behörde könne zwar nicht die Diagnose oder Medikation überprüfen, wohl aber, ob der freien Arztwahl Rechnung getragen und die Eltern ausreichend informiert worden seien, ob die Zustimmung zur Behandlung vorgelegen habe und der Kindeswille beachtet worden sei.

Angehörige und Fachleute werfen Michael Winterhoff vor, zweifelhafte Diagnosen zu stellen und zu häufig ein ruhigstellendes Medikament einzusetzen. Dabei geht es um ein Präparat mit dem Namen Pipamperon, das Michael  Winterhoff  bei Kindern auch als Langzeittherapie eingesetzt hat. Nach Angaben des Herstellers wirkt das Medikament beruhigend und kann schwere Nebenwirkungen wie Diabetes, Fettleibigkeit oder Herzerkrankungen verursachen.

Experten sagen, dass es sich bei Pipamperson um ein Notfallmedikament handelt, das nur für kurze Zeit verabreicht werden sollte. Etwa, wenn ein Kind einen besonders heftigen Wutanfall bekommt. Indikationen für eine Langzeitmedikamention gibt es nach Ansicht des Hamburger Kinderpsychiaters Michael Schulte-Markwort nicht.

Staatssekretär: Ein Fall von Medikamention ohne Zustimmung

Sein Bonner Kollege Winterhoff soll aber genau das praktiziert haben. Nach Recherchen des WDR und der Süddeutschen Zeitung belegen Jugendamtsakten bei einigen Heimkindern eine Dauermedikamention durch den auch von zahlreichen Fernsehauftritten bekannten Bonner Psychiater.

Laut Staatssekretär David Profit ist dem rheinland-pfälzischen Familienministerium bislang ein Fall bekannt, in dem die Medikamention ohne Zustimmung des Sorgeberechtigten erfolgt sein soll. Das Landesjugendamt habe in dem Fall beim zuständigen Jugendamt eine Strafanzeige angeregt, damit der Vorwurf staatsanwaltlich geprüft werde. Konkretere Angaben zu dem Fall machte Profit im Ausschuss nicht.

Auf seiner Internetseite wehrt sich der promovierte Psychiater gegen den Vorwurf, er habe Pipamperon flächendeckend eingesetzt. „Das Medikament wurde nur in Einzelfällen mit spezieller Indikation verordnete“, so Winterhoff. Das Mittel solle Kinder in die Lage versetzen, ihre Aggressionen kontrollieren zu können und im Konflikt erreichbar zu sein. „Dies funktioniert in der Praxis gut, und wir konnten so viele unserer jungen Patienten erfolgreich therapieren“, schreibt Winterhoff. Im Laufe einer Behandlung überprüfe er zudem immer wieder, ob das Medikament überhaupt oder in einer niedrigen Dosierung notwendig sei.

Für die rheinland-pfälzischen Behörden ist der Fall Winterhoff noch keinesfalls erledigt. Um ein möglichst vollständiges Bild über die Zusammenarbeit mit dem Bonner Psychiater zu bekommen, wurden laut Staatssekretär Profit jetzt noch einmal alle Jugendämter und Heime an die erbetene Rückmeldung erinnert. „Uns ist wichtig, dass in Zusammenarbeit aller Beteiligten die Vorwürfe aufgeklärt werden“, meinte Profit im Familienausschuss.

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