15-Jährige fühlt sich auf einmal wie 70

Morbach · Die sogenannte Schülerfirma der Morbacher integrierten Gesamtschule (IGS) will sich mit Morbacher Senioren unterhalten und auf Grundlage ihrer Erinnerungen individuelle Lebensbücher verfassen. Im Vorfeld testen die Schüler mit Hilfe eines Alterungsanzuges, wie eingeschränkt ältere Menschen sein können.

Morbach. "Ich höre nichts mehr", lacht die fünfzehnjährige Ronja leicht fassungslos, nachdem ihr eine Mitschülerin Kopfhörer aufgesetzt hat. Dabei sind diese nicht das einzig ungewöhnliche an ihrem Outfit. Denn heute ist die Schülerin der Morbacher Integrierten Gesamtschule an der Reihe, einen Alterungsanzug zu testen, mit dem sich die 12 bis 15 Jahre alten Jungen und Mädchen der Schülerfirma "Die Mittwochsglücksbringer" auf einen Schlag mehrere Jahrzehnte älter fühlen.

Eine Weste und mehrere Binden an Ellenbogen, Handgelenk und Knie sowie eine Halskrause erhöhen das Gewicht der normalerweise 50 Kilogramm schweren Schülerin auf einen Schlag um etwa 25 Kilogramm und schränken die Bewegungsfähigkeit von Wirbelsäule, Armen und Beinen erheblich ein. Ein Visier setzt die Sehfähigkeit von Ronja auf das Niveau einer etwa 80-jährigen Person herunter. Steife Handschuhe machen leichte Tätigkeiten wie das Greifen eines Glases und das Trinken eines Schluck Wassers zur echten Anstrengung für Ronja. "Echt krass, dass die Menschen das dann den Rest ihres Lebens bewältigen", sagt sie.

Nico aus der Schülerfirma hatte den Anzug bereits in der Vorwoche getestet. "Ich habe gemerkt, wie beschwerlich Treppensteigen im Alter ist. Außerdem konnte ich durch das Visier nichts lesen", sagt er.
Der Alterungsanzug, den die IGS mit Hilfe von Sponsoren und dem Förderverein der Einrichtung für 1500 Euro angeschafft hat, soll den Schülern helfen, sich in die Situation von Senioren hinein zu versetzen. Denn in wenigen Wochen wollen sie sich jeden Mittwoch mit älteren Bürgern der Einheitsgemeinde treffen und sich erzählen lassen, "wie sie früher gelebt haben", sagt Anastasia. Von dem Mittwoch, an dem die Gespräche stattfinden sollen, leitet sich auch der Name "Die Mittwochsglücksbringer" ab. Jeweils drei Schüler sprechen mit den älteren Frauen und Männern und schreiben sich die Erinnerungen auf. Andere Mitglieder der Schülerfirma tippen die Notizen in den Computer ein. Weitere erstellen über Internet-Software ein fest gebundenes Buch, in dem die Erinnerungen der alten Leute festgehalten sind. "Jede Person, mit der wir uns unterhalten, erhält so ein persönliches Lebensbuch geschenkt", sagt Anastasia.

Und wie finanzieren die Schüler der Ganztagsschule, die sich im Arbeitskreis B@it (Berufsvorbereitung und Informationstechnologie) engagieren, die Bücher, die pro Stück 25 Euro kosten? "Wir haben ein Eigenkapital von 200 Euro, das wir durch den Verkauf von Förderscheinen an unsere Familien erwirtschaftet haben", sagt Tim. Zudem nähen andere Schüler Kirschkern- und Lavendelkissen, die in der Vorweihnachtszeit verkauft werden und das Projekt mitfinanzieren, sagt Petra Melzer-Priestersbach, die die Schülerfirma betreut.

Im nächsten Schritt suchen die Mittwochsglücksbringer nach älteren Menschen, die ihnen ihre Lebenserfahrungen mitteilen wollen. Dafür wollen sie Verbindung zum Senioren- und Behindertenbeirat der Einheitsgemeinde aufnehmen. Interessierte Senioren können sich auch beim Sekretariat der IGS unter der Telefonnummer 06533/956970 melden.

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