220 000 kleine Reben warten auf Einschulung

Bernkastel-Kues · Das DRK-Sozialwerk hat 1998 vom Kreis die Rebenveredlungsanstalt übernommen. Ohne Veredler gäbe es in Europa vielleicht keinen Weinbau mehr. Eine Million Reben werden pro Jahr in Bernkastel-Kues produziert.

Bernkastel-Kues. Reben tragen Trauben. Das weiß jedes Kind. Reben werden auch eingeschult, so heißt es zumindest in der Fachsprache. Das dürfte nur Experten geläufig sein. Die Einschulung ist Teil der Veredlung. Und auch die ist etwas Besonderes.
Der Reihe nach: Vor 150 Jahren wanderte die Reblaus per Schiff aus Amerika nach Europa ein. Und einer der größten Schädlinge des Weinbaus fand in den Wingerten ein riesiges Betätigungsfeld. Seine Stiche in das Wurzelwerk und den unter der Erde liegenden Teil der hier wachsenden Reben sorgten für deren schnelles Ende. Die Reben in Amerika dagegen waren längst resistent.
Es gab aber auch damals schon findige Experten. Ihre Überlegung zur Rettung des Weinbaus hierzulande in einfachen Worten wiedergegeben: Der untere Teil einer amerikanischen Rebe wird mit dem oberen Teil einer europäischen Sorte verbunden (aufgepfropft). Das geschieht seit 100 Jahren auch in Bernkastel-Kues. Anfangs hatte der Staat seine Hände im Spiel, denn der Kreis war Träger der so genannten Veredlungsanstalt. 1998 übernahm das DRK-Sozialwerk, zu dem ein landwirtschaftliches Hofgut gehört, die Produktion.
Doch zurück zu dem, was in einer großen Halle im Kueser Gewerbegebiet passiert. Die neue Rebe wird drei Wochen bei gleichbleibender Temperatur (etwa 30 Grad), hoher Luftfeuchtigkeit und UV-Bestrahlung gelagert. "In der Zeit wachsen beide Teile zusammen", erläutert Hofgut-Leiter Volker Emmrich.
Danach wird sie ausgepflanzt. Das bezeichnen Fachleute als Einschulung. Derzeit warten 220 000 Reben darauf. Das schlechte Wetter verhindert dies noch. Wenn Leute wie Ludwig Bender, Abteilungsleiter der Rebenveredlung, sie einige Zeit später für gut befinden, können die Reben auf die Reise gehen.
Als Volker Emmrich Anfang 2000 die Verantwortung übernahm, lag die Jahresproduktion bei etwa 400 000 Reben. "Export gab es damals nicht", berichtet er.
Derzeit werden in Bernkastel-Kues etwa eine Million Reben veredelt. Ein Teil davon geht ins Ausland: Abnehmer sind Betriebe in Rumänien, Bulgarien, Italien, Kroatien und Moldawien. Emmrich, der in der Weinwelt gut vernetzt ist, hat die Kontakte eingefädelt. Mittlerweile habe aber auch der heimische Markt stark angezogen, berichtet er - vor allem durch junge Winzer, die ihre Betriebe neu strukturieren.
Pro Rebe bekommt das DRK-Sozialwerk derzeit 1,65 Euro. In Spitzenzeiten sind 30 Mitarbeiter, 20 davon mit Behinderungen, mit Produktion und Pflege beschäftigt. "Die Arbeit ist bei den Behinderten beliebt", erzählt Ludwig Bender. "Er hat ein gutes Händchen für die Mitarbeiter", sagt Volker Emmrich. Beim Frühlingsfest des DRK-Sozialwerks wird das Jubiläum gefeiert (EXTRA)Extra

Das Frühlingsfest (Tag der offenen Tür) geht am Sonntag, 26. Mai, von 11 bis 17 Uhr am und im Cusanus-Hofgut auf dem Kueser Plateau über die Bühne. Dort können sich die Besucher einen Einblick in die Arbeit der 562 Menschen mit Behinderungen machen, die derzeit in den Werkstätten des DRK-Sozialwerks arbeiten. Vor schlechtem Wetter muss niemand Angst haben. Die Räume bieten genug Platz für ein trockenes Vergnügen. Für Besucher, die mit dem Auto kommen, wird ab der Hauptwerkstatt, die ebenfalls auf dem Plateau liegt, ein Buspendelverkehr eingerichtet. Kinder können sich unter anderem beim Ponyreiten vergnügen. Es spielt die Werkstattband "Desert Rock Kids". cb

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