50 Quadratmeter Ruhe

BERNKASTEL-KUES. Schüler brauchen nicht nur Räume, in denen sie lernen können. Sie brauchen zunehmend auch Orte, in die sie sich zurückziehen können, um wieder zu sich selbst zu finden. Das gilt besonders an Ganztagsschulen.

"Wir richten einen Raum zum Wohlfühlen ein", schreibt Sabrina an die Tafel. Die Achtklässlerin der Hauptschule Bernkastel-Kues drückt mit wenigen Worten aus, worum es ihr und etwa 20 anderen Schülerinnen und Schülern geht. Sie wollen einen Raum in einer der beiden Baracken, die vor zirka 35 Jahren als zusätzliche Klassenräume eingerichtet wurden, in einen Meditationsraum umwandeln. Die Initiative für einen solchen Raum kommt allerdings von einem Erwachsenen: von Religionslehrer Hermann Hower. Fünf Stunden pro Woche unterrichtet der ständige Diakon der Seelsorgeeinheit Zeltingen-Rachtig-Erden-Lösnich an der Hauptschule katholische Religion. "Seit vier Jahren bin ich an dieser Sache dran", erzählt er. Nun kann die Umsetzung beginnen. Der Meditationsraum wird allen Schülern der Ganztagsschule offen stehen, und bei der Planung und Einrichtung sind auch Jugendliche verschiedener Konfessionen dabei. Es ist nicht einfach, eine Gruppe Jugendlicher, die bereits einige Stunden Unterricht hinter sich haben, auf ein solches Thema einzuschwören. Doch Hermann Hower versteht es, das Interesse der Schüler zu wecken. "Warum sind wir hier", fragt er in die Runde. "Wir wollen einen Raum, in dem man seine Ruhe haben und über Sachen nachdenken kann", antwortet Yvonne, eine der eifrigsten Befürworterinnen. Die Schüler zählen auch auf, wie sie sich den Raum vorstellen: etwas abgedunkelt, von Wärme erfüllt, leise Musik, mit Kerzen und Pflanzen geschmückt. Zuerst einmal muss der rund 50 Quadratmeter große Raum aber ausgeräumt werden. Dann wird Teppichboden verlegt. Die Jugendlichen schleppen Backsteine herein. Damit wird die Meditationsecke, der Mittelpunkt des Raumes gestaltet. Andere bohren Löcher über den Fenstern. Dort sollen Vorhänge angebracht werden. Hermann Hower hat in einem Baumarkt etwa 20 Sitzkissen gekauft. Sie finden in der Mitte des Raumes ihren Platz. Andere Schüler haben vor Ostern ein massives Holzkreuz gefertigt. Einige Schülerinnen tragen es in den Raum. "Das erinnert an Karfreitag", sagt Christin. Dass Christus in dem Raum seinen Platz haben soll, steht für die meisten Schüler außer Zweifel. "Er ist Teil unseres Lebens, ein Symbol für den Glauben", sagt Christin. Jose, der aus Ecuador stammt, kann sogar die Kreuzesaufschrift "INRI" erklären: Jesus von Nazareth, König der Juden. Die Feinarbeit an dem neuen Raum wird in den kommenden Tagen stattfinden. Dann können alle Schüler den Meditationsraum nutzen. Damit der Raum seiner Bestimmung gerecht wird, werden sie dies aber nur in Begleitung von Lehrern tun können. Das Kollegium habe sehr positiv auf die Ankündigung reagiert, einen Meditationsraum einzurichten, sagt Hower. Mit wenig finanziellem Aufwand werde eine Rückzugsmöglichkeit für die Schüler geschaffen, erläutert Rektorin Renate Kirchen: "Das ist wichtig, denn viele Schüler leiden an Reizüberflutung." Die 500 Euro für die Einrichtung hat die Verbandsgemeinde unbürokratisch zur Verfügung gestellt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort