54 000 Mal kein Unterricht nach Stundenplan

Bernkastel-Wittlich · An 23 Schulen im Landkreis Bernkastel-Wittlich gab es im Schuljahr 2010/2011 in 54 000 Stunden keinen Unterricht nach Stundenplan. "Schulfrei" hieß das aber nicht immer, da Vertretungslehrer oder selbstbestimmtes Lernen die Lücken füllen. Das zeigt eine Landesstatistik, die erstmals öffentlich einsehbar ist.

Bernkastel-Wittlich. Klasse A hat Lehrer B im Fach C am Tag D: Das steht so im Stundenplan. Das kennt jeder. Tatsächlich sieht es in den Schulen im Kreis längst anders aus: Im besten Fall ersetzt eine Vertretung einen Fachlehrer. Dann gibt es noch das selbstbestimmte Lernen ohne Pädagogen und, wenn alle Stricke reißen, den kompletten Unterrichtsausfall. Eine neue Landesstatistik zeigt: Kreisweit sind auf dem Bildungsweg Schule viele Löcher zu stopfen.
Es ist bislang für viele Eltern eher ein Gefühl: Irgendwie fällt viel Unterricht flach oder geben Pädagogen Stunden, die eigentlich andere Lehrer hätten halten sollen. Wer keine Strichlisten führt, hat keinen tatsächlichen Überblick. Jetzt gibt es dazu handfeste Zahlen im Internet für das vergangene Schuljahr 2010/2011: Dort dokumentiert erstmals eine vom Bildungsministerium des Landes veröffentlichte Statistik die "nicht planmäßig erteilten Unterrichtsstunden".
Kaum Grundschulen ausgewertet



Damit kann sich jeder auch im Landkreis Bernkastel-Wittlich ein Bild machen, besonders was die weiterführenden Schulen angeht. Denn von den 42 Grundschulen sind nur fünf fürs komplette Schuljahr ausgewertet. Für die restlichen Schulen gibt es lediglich Zahlen aus einer Stichproben-Woche, sie sind deshalb nicht vergleichbar.
Auf den ersten Blick sieht das Zahlenwerk gut aus, wenn man nur auf die signalgelb hinterlegten Endzahlen schaut. Laut Statistik hält sich nämlich der "temporäre Unterichtsausfall" in Grenzen: zwischen null Prozent (Grundschule und Freiherr-von-Stein Realschule in Bernkastel-Kues) bist zu fast sechs Prozent (Cusanus-Gymnasium Wittlich) kreisweit. Und sechs schulfreie Stunden von 100, das klingt verkraftbar.
Diese Zahlen zeigen, dass die Schulen es überwiegend geschafft haben, einen eigentlich für das Fach A in Klasse B eingeplanten Lehrer C zu ersetzen. Und zwar nicht nur durch die klassische Vertretungsstunde, sondern auch durch das, was man selbstbestimmtes Lernen nennt, eine Art Freiarbeit. Dabei sollen sich Schüler weitgehend selbstständig etwas beibringen - im Fall einer "nicht planmäßig erteilten Unterrichtsstunde" kann man das als Notlösung sehen, weil eben der vorgesehene Lehrer nicht vor Ort sein kann. Andererseits ist eigenständiges Lernen insbesonere in höheren Klassenstufen auch eine Art Bildungsziel.
Und in diesem Bereich, also der ersetzten Stunden, sehen die kreisweiten Prozentzahlen etwas anders aus. Sie decken die Skala von 1,81 Prozent (Grundschule Piesport) bis 14,41 Prozent (Realschule plus Wittlich) ab. 18 der 23 Schulen haben Werte teils weit über sechs Prozent: alles Stunden, in denen sogenannte Regulierungs- und Kompensierungsmaßnahmen gefragt waren.
Addiert man alle nicht-regulären Unterrichtsstunden an den gelisteten 23 Schulen, an denen im besten Fall eine Vertretung einspringen konnte, kommt man für das vergangene Schuljahr 2010/2011 auf 53 915 Stunden. So oft konnte eben kein Unterricht laut Stundenplan stattfinden.
Im Übrigen betrifft der nicht reguläre Unterricht je Stunde nicht nur jeweils einen Schüler, sondern hat gleich Auswirkungen für ganze Klassen.
Aber laut Landesstatistik greift eine "Regulierung der nicht planmäßig erteilten Unterrichtsstunden". Und zwar durch "Beschäftigung externer Kräfte, Mehrarbeit, selbstbestimmtes Lernen", - statt Unterricht laut Stundenplan. Sonst wären diese Stunden überhaupt nicht extra erfasst.
Warum es zu den Abweichungen kommt, wird auch belegt. Der Klassiker ist Krankheit. Von den 53 915 Schulstunden betrifft er 31 177, das sind 57 Prozent.
Der Rest sind sogenannte dienstliche Gründe von der Fortbildung bis zur Klassenfahrt - plus die Kategorie nicht-dienstliche Gründe wie Hochzeit, Todesfall, Umzug und so weiter. Zusammen kommen an dieser Stelle 22 738 Stunden.
Laut anderen Statistiken hat ein Lehrer im Mittelwert 26 Stunden reinen Unterrichtseinsatz in der Woche. Zieht man vom Jahr zwölf Wochen Ferien ab, blieben 40 Wochen. Das macht 1040 Unterrichtsstunden im Jahr. Umgerechnet auf die fast 55 000 nicht planmäßig erteilten Unterrichtsstunden könnten also 52 zusätzliche Lehrer an den 23 Schulen die Landesstatistik überflüssig machen.
Wer wissen will, was genau die Statistik über seine Schule sagt, wird im Internet fündig unter www.unterrichtsversorgung.
rlp.de
Meinung

Transparenz ist gut
Ab dem neuen Jahr will das Land den Vertretungspool auf 200 Beamtenstellen aufstocken. Das ist gut so. Der Lehrermangel ist Tatsache. Gut ist, dass die Zahlen zum Unterrichtsausfall nun öffentlich sind. Sie zeigen, wie insbesondere die weiterführenden Schulen versuchen, die Löcher zu stopfen. Viel Spielraum haben sie nicht, manche Schulen scheinen am Limit zu sein. Wenn jede zehnte Stunde anders geregelt werden muss als geplant, ist das Einiges. Deshalb sind transparente Zahlen gut, weil sie vergleichbar sind und eine sachliche Argumentationsgrundlage bieten. Wenn\'s zu Verbesserungen beiträgt: umso besser! s.suennen@volksfreund.deExtra

Im Vergleich zu den 54 000 Stunden nicht planmäßig erteilten Unterrichts an 23 Schulen im Landkreis Bernkatsel-Wittlich anbei Vergleichzahlen: Im Schulaufsichtbezirk der Stadt Trier wurden an ebenfalls 23 gelisteten Schulen 58 739 Stunden nicht planmäßig unterrichtet. Im Landkreis Bitburg-Prüm waren es an 19 Schulen 44 827 Stunden. sos

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