71-Jähriger schlägt 100-Kilo-Keiler in die Flucht

Riesenglück und einen Schutzengel hatte Lorenz Schug aus Trittenheim. Er wurde von einem angeschossenen Keiler attackiert. Er setzte sich mit zwei Weinbergspfählen zur Wehr, schlug das Tier in die Flucht und kam mit Kratzern davon.

Trittenheim. Lorenz Schug aus Trittenheim ist oft in der Natur unterwegs. Doch der Tag, als er oberhalb von Trittenheim spazieren ging, wird ihm in Erinnerung bleiben. Mitten in den Weinbergen sah er sich plötzlich einem ausgewachsenen und schwer verletzten Keiler gegenüber. Offensichtlich war das Tier angeschossen worden. Denn eine knappe halbe Stunde zuvor hatte Schug oberhalb von Neumagen auf der anderen Moselseite Schüsse gehört, gefolgt vom Schrei eines Tieres.

Der Keiler habe sofort und blitzschnell angegriffen, berichtet der 71-jährige Dachdeckermeister. Geistesgegenwärtig griff er nach einem der Weinbergspfähle, die, schräg in den Boden gerammt, Rebenreihen abschließen. Da der Pfahl sich nicht aus dem gefrorenen Boden herausziehen ließ, trat er ihn um, so dass er mit dem daran festgenagelten Holz zwei dicke Stöcke in der Hand hielt. Mit diesen schlug er auf den Keiler ein, bis dieser von ihm abließ. Der Angriff habe vielleicht zwei Minuten gedauert - doch er werde wohl noch lange daran denken.

"Große Angst habe ich in dieser Situation eigentlich nicht verspürt, das war nur noch Reaktion", erzählt er. Einige Minuten später sei er schon aufgeregt gewesen. Doch da sei bereits ein Jäger mit einem Geländewagen bei ihm gewesen. Die Teilnehmer der Jagd, bei der Treiber und Hunde das Wild aus der Deckung treiben, hatten den Vorfall mit Ferngläsern beobachtet. Der verletzte Keiler war durch die Mosel geschwommen und in der Nähe des Trittenheimer Sportplatzes in Richtung des bewaldeten Kamms geprescht. Dabei überquerte er auch die B 53.

Dass er mit ein paar Kratzern am Oberschenkel davonkam, führt Schug auf seine Fitness zurück. Auf Anraten von Otto Bollig, dem von den Jägern informierten Trittenheimer Kollegen, ließ er vorsorglich prüfen, ob seine Tetanus-Impfung aufgefrischt werden sollte. "Als ich zum Arzt kam, war mein Blutdruck wieder normal", erzählt er. Allerdings ist er rückblickend froh, eine Dachdeckerhose, eine "schwere Manchesterhose", angehabt zu haben. Die Risse seien schon wieder genäht.

Doch nicht nur er war aufgeregt. Von einem solchen Vorfall habe er noch nie gehört, sagt Otto Bollig. Es komme zwar mal vor, dass ein Treiber von einer Sau "überrannt" werde oder, dass ein verletztes und damit unberechenbares Tier einen Jagdteilnehmer bedrohe. Aber ein Angriff wie der gegen Schug sei schon außergewöhnlich (siehe Extra). Die Tiere suchten vor allem Deckung und gingen Menschen daher möglichst aus dem Weg.

Nicht ungewöhnlich sei, dass Wildschweine gut schwimmen können. Der verletzte Keiler, von den Schützen auf 100 Kilo geschätzt, sei sogar noch zweimal in die Mosel zurückgerannt. Beim ersten Mal habe er sie auf Höhe von Leiwen durchquert und sei Richtung Ferienanlage Eurostrand gerannt. Doch offensichtlich habe ihn ein Fußgänger mit Hund zur Umkehr bewogen.

Laut Aussage des Mannes habe der Keiler gewendet und sei erneut in die Mosel, wo er dann aber auf halber Strecke plötzlich nicht mehr zu sehen gewesen sei. Für die Jäger, die dem Tier weiterhin zu folgen versuchten, steht daher fest, dass das offensichtlich entkräftete Tier ertrunken ist. Extra Richtig draufschlagen: Laut Kreisjagdmeister Günter Vanck hat sich Lorenz Schug korrekt verhalten. Ein Angegriffener sollte sich einen Stock greifen und "richtig draufschlagen" - und zwar am besten vorne auf den Kopf. Um kraftvoller schlagen zu können, sei ein erhöhter Standpunkt wie etwa in Weinbergen eine Treppe von Vorteil. Gefährlich seien vor allem die langen Zähne eines Keilers, der diese auch nutze, um auf andere Keiler einzuschlagen. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Angriffs ist laut Vanck aber sehr gering: "Ich weiß nicht, ob das fünfmal im Jahr in Rheinland-Pfalz passiert." Ihm selbst sei noch nie eine Sau gefährlich nahe gekommen. Allerdings könne so etwas "generell immer vorkommen". Vor allem, wenn Tiere in Not gerieten, Junge bei sich hätten oder krank oder verletzt seien. "Krankgeschossene" Tiere seien immer gefährlich. (urs)

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