Abschied vom "alten" Weintrinker

TRIER/BERNKASTEL-WITTLICH. "Wer die Zukunft erfolgreich gestalten will, muss nach vorne blicken und nicht zurück." Mit diesen Worten machten IHK Trier, der Bundesverband der Deutschen Weinkellereien und des Weinfachhandels auf den dritten Weinwirtschaftstag in Trier aufmerksam.

 "Sex sells wine" - Sex hilft (auch), Wein zu verkaufen. Die neuen Weinkonsumenten sind nach den Erkenntnissen von Professor Kleiber-Wurm äußerst empfänglich für diese Art der Werbung für Rebensäfte.Foto: Friedemann Vetter

"Sex sells wine" - Sex hilft (auch), Wein zu verkaufen. Die neuen Weinkonsumenten sind nach den Erkenntnissen von Professor Kleiber-Wurm äußerst empfänglich für diese Art der Werbung für Rebensäfte.Foto: Friedemann Vetter

DieWeinwelt ist im Umbruch. Werbung unter dem Oberbegriff "Wein,Weib und Gesang" erfüllt nach Auffassung des Trend- undZukunftsforschers Professor Jürgen Kleiber-Wurm von der FHMünchen nicht die Bedürfnisse der neuen Konsumenten vonRebensäften, sondern stellt die "Betonierung der unbrauchbarenElemente" dar. Viele Angehörige der Weinbranche haben nach seinenWorten noch nicht registriert, dass ein vollkommen neuer TypWeinkonsument herangewachsen ist. Er will viel, er will es sofort

"Durch den tief greifenden Werte-Wandel in der Gesellschaft sind viele Paradigmen (Musterbeispiele) in den Schatten der Vergangenheit gerückt und mit ihnen zahlreiche Produktgattungen und Betriebe fast ganz vom Markt verschwunden. Ein neuer Verbraucher-Typus ist entstanden: Der multi-optionale Konsument (also der Verbraucher mit vielfältigen Wahlmöglichkeiten) bestimmt die Märkte der Gegenwart und Zukunft. Diesen Typ Kunden gilt es zu gewinnen. Er will viel, er will es sofort - und vor allem liebt er Überraschungen. Er ist nicht mehr der "alte" Weintrinker. Er ist sensibel, intelligent, schnell und komplex."

Mit dieser Darstellung umriss der Trend- und Zukunftsforscher als Referent des Weinwirtschaftstages seine Vorstellungen vom künftigen Wein und seinen Konsumenten. Laut Kleiber-Wurm entsteht eine neue Bedeutung von Wein. Dieses alkoholische Getränk werde zum "Kult der Entfaltung", zum Life-Style, nicht aber zum Image. Die Aufgabe des Weins sei, "Member einer sensuellen Gesellschaft" (Mitglied einer Sinnen-Gesellschaft) zu sein und Lust sowie Intelligenz zu fördern, statt Last und Probleme zu lindern; das sei das Ende der Leidenskultur. Lust statt Last charakterisiere die neue Welt.

Laut Sinus-Studie attestieren die Konsumenten den heimischen Winzern zwar ein professionelles Know-how. Doch in der deutschen Weinwirtschaft hapere es an einer Orientierung. In puncto Emotionalität, Sinnlichkeit und Life-Style bestehe noch Nachholbedarf. Genau das sei der strategische Ansatz für die Zukunft: "Heute werden keine Produkte mehr gekauft, sondern Lebenswelten und Life-Style."

Als Todsünde im Wein-Marketing nannte der Referent "Altmode" ("Wird gerne mit Tradition verwechselt"); "Langeweile" ("Menschen sind an Neuem interessiert"); "me too" ("Mich gibt's auch, nichts Besonderes") und "Mitte" ("Man kann ruhig exzentrisch sein, nur Mitte darf man nicht sein, da Mitte als profillos erlebt und deshalb gemieden wird"). Als Ausweg aus der Fehlentwicklung im Wein-Marketing sieht Kleiber-Wurm den "neuen Cult"; die neue Bezeichnung für deutschen Wein ist für ihn der "Sensual Wein" (der sinnliche Wein). Als "Cult" werde alles empfunden, was modern, zeitgeistig, trendy, retro, life-stylig, new values und eine eigene Story habe.

Da Produkte synchron würden, erwerbe der Konsument keine Produkte, sondern Lebenswelten. Der deutsche Wein könne sich in die Zukunft entwickeln, wenn er ein schnelles, komplexes junges Leben symbolisiert. Kleiber-Wurm: "Der Wein wird selbst zum Leben. Deshalb die Formel: Sensual Wein = Life-Style." Falls ihm das gelinge, sei die Zukunft gesichert.

Jahrelang habe man geglaubt, dass der Bessere gewinnt. Mittlerweile wisse man, das es die Alleinstellung nicht mehr gibt: "Heute gewinnt nicht der Bessere, sondern der Attraktivere", betonte der Referent. Das führe zu der Marketing-Formel "attraction sells" (Attraktion hilft beim Verkaufen).

Einen breiten Raum nahmen die Ausführungen des Münchners zum Bereich "sex sells" (Sex hilft beim Verkaufen) ein. Ferner sprach er sich für ein "neues Fun-Design" der Weinetiketten aus. Außerdem regte er an, an der Mosel "clevere Weinbars" einzurichten. Weinproben schließlich sollten "Party-Charakter" besitzen.

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