Abschied von der Extraportion Energie

Morbach/Rapperath · Samtha Schuldt aus Rapperath hat einen ungewöhnlichen Lebenslauf: Beamter, Hippie, Bioladen-Betreiber und Firmenchef. Seit 34 Jahren führt er den Biofruchtschnitten- und Energiebällchen-Hersteller Schuldt und Weber. Jetzt will er seinem Leben eine neue Wendung geben.

Morbach/Rapperath. Das Erfolgsrezept von Samtha Schuldt ist rund, drei Zentimeter im Durchmesser groß, schmackhaft - und besteht ausschließlich aus Bio-Zutaten: Energiebällchen. Diese produziert das Unternehmen Schuldt und Weber ebenso wie Fruchtschnitten unterschiedlichster Geschmacksrichtungen seit 34 Jahren mitten im Hunsrück.
Vertrieb in zwölf Länder


Die Produkte werden nicht nur in Deutschland vertrieben, sondern auch in elf weiteren Ländern Europas, unter anderem in Frankreich, Italien, Portugal, Luxemburg und Russland. Jedes zweite Energiebällchen, das zwischen Flensburg und München verkauft wird, stammt nach Angaben des Inhabers aus den Produktionsräumen von Schuldt und Weber. Das Unternehmen ist das Lebenswerk von Schuldt und seiner Ehefrau Rosi Weber. Sie starb im vergangenen Jahr. Jetzt schmiedet der Witwer neue Pläne. Er will reisen. Sein größter Traum: "Ich will nach Bangkok fliegen, dann mit dem Zug nach Laos und Nordvietnam fahren und überall dort aussteigen, wo ich will." Und er beabsichtigt, auf die Philippinen zu ziehen - zu seiner neuen Lebensgefährtin.
Das Unternehmerdasein war Schuldt nicht in die Wiege gelegt. Der Beamte hatte nach seiner Ausbildung eine klare berufliche Laufbahn vor sich. Dann kam die Hippie-Zeit. Schuldt engagierte sich politisch, zog in eine Kommune und gründete in seiner Heimatstadt Bonn den "Bio-Laden", laut Schuldt das fünfte Naturkost-Geschäft in der Bundesrepublik.
Da dieses zu wenig abwarf, fuhr er nachts Taxi. Und wegen der Doppelbelastung braucht er eine Extra-Portion Energie.
Dafür sorgte er kurzerhand selbst: In der eigenen Küche stellte er unter anderem aus Rosinen, Datteln, Nüssen und Getreideflocken die Vorläufer der heutigen Energiebällchen und Fruchtschnitten her und verkaufte sie im Bioladen sowie "im Bauchladen auf Festivals". "Bio"-Labels habe es damals noch nicht gegeben. Heute arbeitet das Morbacher Unternehmen ausschließlich mit Naturrohstoffen aus kontrolliert-ökologischem Anbau.
Zurück zu den Anfängen. 1979 kam der alleinerziehende Vater eher zufällig nach Rapperath und betrieb die Produktion zunächst in der eigenen Küche weiter. Peu à peu wuchs die kleine Firma. 1981 stieg Rosi Weber ins Unternehmen ein. Als die Küche aus allen Nähten platzte, zog die Produktion 1989 in die Räumlichkeiten des ehemaligen Kindergartens in Rapperath. 2003 wurde im Gewerbepark Humos gebaut.
Inzwischen macht das Unternehmen mit elf Mitarbeitern, Vollzeit und Teilzeit, einen Jahresumsatz von 600 000 Euro. Nicht zuletzt dank sogenannter "private labels", sprich Handelsmarken. Das sind Produkte, die eigens für Händler hergestellt und mit einem eigenen Markennamen versehen werden.
Mit zwei Firmen in Frankreich und Dresden macht er auf diese Weise mehr als die Hälfte seines Umsatzes. Das soll auch künftig so bleiben, nur eben unter neuer Leitung. Pläne, dass der 28-jährige Sohn Julian das Ruder übernimmt, haben sich zerschlagen. Inzwischen gibt es vier Kaufinteressenten. Ende Juni packt Schuldt in Morbach endgültig die Koffer.
Und wenn es bis dahin mit dem Verkauf nicht klappt? Schuldt: "Es gibt einen Plan B." Dann will der 65-Jährige die Firma aus der Ferne leiten, was dank Internet und Handykommunikation möglich sei, und regelmäßig nach Deutschland fliegen. Vor Ort soll dann eine Mitarbeiterin die Verantwortung übernehmen.Extra

In rund 135 000 Familienunternehmen in Deutschland muss laut einer Studie des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn in den nächsten fünf Jahren der Betrieb übergeben werden. Das sind 27 000 pro Jahr. In Rheinland-Pfalz sind es jährlich rund 1240. In mehr als der Hälfte der Fälle übernehmen Familienmitglieder das Ruder. Im Raum Trier stehen laut IHK Trier pro Jahr 250 bis 300 Betriebsübergaben an. iro

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