Äpfel und Birnen für einen Euro - je Baum

DREIS. Urig geht es zu, wenn in den Gemeinden das Obst versteigert wird. Und ohne genaue Orts- und Dialekt-Kenntnisse ist man ganz schön aufgeschmissen, wie die Versteigerung in der Dreyshalle zeigt.

Vielleicht 15 Interessenten sind gekommen, als Bürgermeister Klaus Steffgen das Obst an den Bäumen seiner Gemeinde zur Versteigerung freigibt. Schwer ist es heute, die Äpfel und Birnen, Zwetschgen und Nüsse überhaupt noch an den Mann oder die Frau zu bringen."Gut für Fratzen zu schneiden"

Wer macht sich noch die Mühe, Marmeladen, Gelees oder Säfte in der eigenen Küche aufwändig herzustellen? Denn Tafelobst ist es nicht, was da an den Bäumen der Gemeinde hängt: Es taugt nicht wirklich zum Verzehr "von der Hand in den Mund", weder optisch noch geschmacklich. Eher ist es "gut für Fratzen zu schneiden", wie ein Besucher amüsiert bemerkt. Die meisten Interessenten in der Dreyshalle haben einen Zettel dabei, auf dem sie notiert haben, welches der mehr als 50 Lose für sie in Frage kommt. Zuvor sind sie die Örtlichkeiten abgegangen: An den Bäumen hängen Nummern, um Verwechslungen zu vermeiden. Steffgen liest die jeweiligen Lose vor: Nummer, Distriktsbezeichnung, Anzahl der Bäume, Obstsorten. "Am Schorbach, Nummer fünf, drei Rambor, zwei Birne..." Oder: "In Brühl, Nummer 23, drei Äpfel, 4 Zwetschgen..." Dann richtet er sich auf, sein Blick schweift in die Runde. Gar kein Gebot, ein Euro, zwei Euro, mal fünf, mit viel Glück auch einmal zehn: Das ist die Bandbreite, in der sich die Gebote bewegen. Hier und da schauen Bürgermeister und Gemeindearbeiter ein wenig ungläubig. Dann hören sie schon mal: "Datt ass ma nitt mieh währt!" Nummer 23 ist ein Los, an dem Interesse besteht, auch die 35, bei der sich zwei Herren regelrecht in einen kleinen Rausch hineinsteigern. "6 - 8 - 10 - 12 - 15", und weg ist das gute Stück. Josef Follmann schlägt einige Male zu, auch Albert Klingler steigert fleißig. Einmal gehen zehn Bäume mit reifen Früchten für zwei Euro weg: Undenkbar in "schlechten Zeiten", die doch für manchen schon wieder da sind. Äpfel und Birnen erfreuen sich bis heute noch zumindest zaghafter Beliebtheit: Sie sind für die Schnaps- und Viezherstellung geeignet. Obwohl die meisten ihren Viez lieber trinken als machen, wie einer der Anwesenden lachend betont.Garantiert ökologischer Anbau

Ganz schlecht ist es um die Zwetschgen bestellt, gleichgültig, ob die Zweige voll hängen oder ob der Spruch durch die Dreyshalle zischt: "Do as neist drohn!" Kaum ein Zwetschgenbaum wird an diesem Abend gesteigert, nur eine Handvoll von einer jungen Frau, die ihr Kind mit zu dieser Veranstaltung gebracht hat: Früh übt sich. Einer ersteigert sich die Walnüsse; die wollte er für den eigenen Verzehr sicher stellen. Wenn er sich überlegt, wie teuer da ein Tütchen im Supermarkt ist, und wie günstig er hier an die Nascherei kommt! Das Ökologische wird hier automatisch mit ersteigert: Kein Gramm Pesti- oder Fungizide isst - oder trinkt - der Käufer mit. Der Kassensturz belegt es am Ende: Ganze 165 Euro sind an diesem Tag in das Gemeindesäkkel geflossen. Ein durchschnittlicher Betrag, meint Steffgen. Es ist verständlich, dass Rudolf Neukirch für diese minimalen Einkünfte nicht auch noch den Beschneide- und Düngeservice liefern kann. Denn eine Runde fachmännischer Pflege hätte der Baumbestand nötig, da sind sich die Männer einig. Doch das würde sich erst rechnen, wenn die Preise bei der Obstversteigerung wieder steigen würden.

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