Akuter Ärztenotstand in Traben-Trarbach

Traben-Trarbach/Bernkastel Kues · Kranksein wird an der Mosel langsam zu einem Problem: Immer mehr Hausärzte hören auf und finden keinen Nachfolger. Dr. Christel Adler aus Traben-Trarbach schließt nach 27 Jahren ihre Praxis endgültig. Weitere werden aus Altersgründen bald folgen. Die Patienten fragen sich: Wo kann ich noch hin?

Traben-Trarbach/Bernkastel Kues. "Sobald ich bei einem Hausarzt anrufe, werde ich sofort gefragt: Sind Sie schon Patient? Verneine ich, heißt es stets: Tut uns leid, aber wir nehmen keinen mehr auf". Albert Braun (58) hatte als Hausärztin Christel Adler in Traben-Trarbach. "Nun stehe ich da und weiß nicht wohin", klagt er.
Am 14. Juni macht Adler die Tür hinter sich zu, um auszuräumen. Am 30. Juni ist ihr Hausärzte-Dasein vorbei, und keiner will die Praxis übernehmen.
"Ich habe inseriert, im Kollegenkreis gefragt, alle haben dankend abgelehnt", sagt sie. Wehmut kommt auf: "Ich hätte die Praxis gern übergeben. Das wäre für Patienten wie für mich schöner gewesen. Aber es ist niemand zu finden!" Wie viele Patienten sie hat, möchte sie nicht sagen.
Ihr Inventar verschenkt sie nun, ein Teil wandert in den Keller. Zwei weitere Hausarztpraxen sind dann noch in Traben-Trarbach: ein Doktor ist bereits 70 Jahre alt, und die andere Praxis platzt aus allen Nähten.
Insgesamt 24 Hausärzte sind in der Netzpraxis Mittelmosel zusammengeschlossen.
Sie haben ihre Standorte in Bausendorf, Bernkastel-Kues, Enkirch, Kleinich, Kröv, Lieser, Longkamp, Morbach, Mülheim, Neumagen-Dhron, Traben-Trarbach, Ürzig, Veldenz und Zeltingen-Rachtig. Vorstandsmitglied Dr. Katrin Keller sagt ganz klar: "Ab 2016 wird es knapp auf dem Land."Viele Ärzte sind älter als 60


Etwa eine Handvoll Mediziner sei Anfang 40. Gut zehn der angeschlossenen Ärzte sind bis Mitte 50, und der Rest, gut die Hälfte, komme über 60 und 70 Jahre hinaus.
"Bei diesen Prognosen sollten sich die Gemeinden Gedanken machen, wie sie mit dem Problem umgehen", sagt sie. In Bernkastel-Kues und Neumagen-Dhron werden in den kommenden Jahren wohl fünf Mediziner in Ruhestand gehen.
Der neue Vorsitzende der Netzpraxis, Dr. Adolf Link, geht sogar einen Schritt weiter und konstatiert, dass Hausärzte die letzten Dinosaurier und vom Aussterben bedroht seien. "Der Mangel an solchen Medizinern auf dem Land wird größer."
Medizinische Versorgungszentren seien eine Lösung und vielleicht ein Anreiz, Doktoren aufs Land zu locken. Wobei hier eine Festanstellung auch ein festes Honorar und feste Arbeitszeiten garantiere.
Seit 1984 ist Dr. Adolf Link in Enkirch Hausarzt. Als er vor Jahren schwer krank war, suchte er einen Nachfolger.
"Es ist schier unmöglich, ich habe es aufgegeben", sagt er frustriert. "Die Einzelpraxen werden verschwinden, denn man keine jungen Ärzte dazu gewinnen, aufs Land zu gehen." Link prognostiziert, dass in spätestens fünf Jahren das Problem noch größer wird: "Wir alten Hausärzte können ja nicht arbeiten, bis wir umfallen."
Dr. Joachim Faude (Lieser) redet Klartext: "Die Rahmenbedingungen für Hausärzte müssen verbessert werden. Für wen ist es denn attraktiv, eine Landpraxis zu übernehmen, wenn er durch Bürokratie und Reglementierungen zu viel Zeit investieren muss?"
Und wenn dann doch irgendwann keiner mehr da ist? "Dann müssen die Patienten weitere Wege auf sich nehmen", sagen alle Befragten einhellig.
Und was können Albert Braun und die übrigen Patienten von Christel Adler bei Notfällen tun? Ein medizinischer Notfall liegt per Rechtsprechung bei einer schweren Verletzung oder einer akuten Erkrankung vor.
Das kann zum Beispiel eine allergische Reaktion, ein Hitzschlag, eine Vergiftung oder eine Grippe sein. Hilft ein Arzt nicht, macht er sich strafbar.
Joachim Faude dazu: "Einen Notfall muss jeder Arzt aufnehmen, deshalb hat man aber noch keinen neuen Hausarzt gefunden." Christel Adler: "Wenn ein Patient jemanden braucht, wird er auch einen finden. Im Umkreis von fünf bis neun Kilometern gibt es ja noch Hausärzte."Meinung

Schnelle Lösungen sind gefragt
Es könnte ein Teufelskreis werden: Weniger Menschen - weniger Ärzte, weniger Ärzte - weniger Menschen. Den Kreis zu durchbrechen dürfte schwierig werden. Doch eine Lösung muss her. Sonst sind Projekte wie "Zu Hause alt werden" gescheitert, bevor sie richtig angefangen haben. Welche junge Familie soll noch aufs Land ziehen, wenn kein Arzt in der Nähe ist? Dass engagierte Menschen Fahrdienste anbieten, ist lobenswert. Doch was nutzt das, wenn kein Mediziner dieser Spezies mehr da ist. Kommunen haben wenig, womit sie locken können oder dürfen. Gefragt sind vor allem die große Politik und die Verbände. Sie dürfen nicht zu lange warten. Sonst tritt der Notstand flächendeckend ein. c.beckmann@volksfreund.deExtra

Die Kassenärztliche Vereinigung ist sich des Mangels an Hausärzten bewusst, sucht nach innovativen Lösungen und hat doch keine Antwort. Hier heißt es schlicht: Man arbeite dran. Möglich seien mobile Arztpraxen und Bereitschaftsdienstzentralen. Auch der demografische Wandel schlage bei diesem Thema zu. Momentan beschäftige man sich beim Deutschen Ärztetag in Hannover damit. Es werde eine Bedarfsanalyse erstellt. Diese soll klären, wie viele Hausärzte auf wie viele Einwohner kommen. Was sie bringt, sind zunächst nur Zahlen. Man könne ja auch niemanden zwingen, Arzt auf dem Land zu werden, heißt es. jo

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