Land und Leute Vom Ruhestand zurück ans Lehrerpult

Hetzerath/Trier · Auch mit 70 ist noch nicht Schluss:  Helma Thelen-Oberbillig aus Hetzerath unterrichtet seit nunmehr 46 Jahren. Im TV-Gespräch verrät sie, was sie motiviert, wie wichtig Perspektiven sind und was es mit den „Hunsrückhasen“ auf sich hat.

 Helma Thelen-Oberbillig  erzählt bei einem Spaziergang im Nells Park in Trier wie wichtig es ist, Neues zu beginnen.

Helma Thelen-Oberbillig  erzählt bei einem Spaziergang im Nells Park in Trier wie wichtig es ist, Neues zu beginnen.

Foto: Tv/Maria Adrian

Erst mal im Ruhestand, kann der Mensch es ruhig angehen lassen: ausschlafen, gemütlich frühstücken und sehen, was der Tag so bringt. Nach vier Monaten war dieser Zustand für Helma Thelen-Oberbillig allerdings schon wieder vorbei, denn ein Anruf aus dem Hunsrück hat die pensionierte Lehrerin aus Hetzerath wieder ans Lehrerpult zurückgeholt. Im Juli 2016 war sie in der Clara-Viebig-Realschule in den Ruhestand verabschiedet worden – nach 46 Jahren Schuldienst. Im November stand sie dann schon wieder vor einer Klasse.

Dieses Mal allerdings auf dem Hunsrück. Die Erbeskopf-Realschule plus Thalfang brauchte damals eine Französisch-Lehrerin. „Die Schule hat einen regen Austausch mit ihrer französischen Partnerschule in Villeneuve la Guyard und ich sollte eine Vertretungsstelle übernehmen“, erzählt Helma Thelen-Oberbillig im TV-Gespräch im Nells Park in Trier. Dafür ist sieprädestiniert, sie hat selbst die französische Staatsbürgerschaft durch Heirat, Vorfahren in Lothringen und sie hat jahrelang mit Schülern an der Aufführung des Schauspiels „Von den Flamen zum Licht“ in Verdun teilgenommen. Sie war Koordinatorin und Pressesprecherin des französischen Jägerbataillons Sidi Brahim, das bis 1999 in Wittlich stationiert war. Und diente auch als Übersetzerin, wenn der Trierische Volksfreund über das Bataillon berichtete. „Das war eine schöne Zeit“, wie sie betont. Wohl wahr. Außerdem hat sie in Nancy und Dijon Deutsch unterrichtet. Helma Thelen-Oberbillig hat die Lehrbefähigung für Deutsch, Französisch, Englisch und Geschichte.

Kurz und gut, die Frau kann man schicken – auch in den Hunsrück bei Wind und Wetter. Mit 66 Jahren fängt sie noch mal an. Aus der Vertretung wurden dann schließlich drei Jahre – besondere Jahre.

„Drei Winter bin ich nach Thalfang gefahren auch bei manchem Schneetreiben“, sagt die engagierte Pädagogin. Und dennoch war die Zeit an der Schule in Thalfang das Sahnehäubchen auf dem Kaffee – „Cream in my coffee“, wie es Helma Thelen-Oberbillig selbst formuliert. „Es war einfach schön mit meinen Hunsrückhasen“, wie sie ihre Schülerinnen und Schüler nannte. Noch heute hält sie Kontakt zu manchen von ihnen. Eine Gruppe ehemaliger Schüler kommt sie auch hin und wieder mit den Motorrädern in Hetzerath besuchen, was sie sehr freut. 

Mit „wehem Herzen“ ist sie dann weg von Thalfang, als ein jüngerer Lehrer gefunden wurde. Das ist für sie auch völlig in Ordnung, denn sie möchte schließlich keinem jungen Menschen eine Stelle wegnehmen. 

Vom Hunsrück ging es dann an die Mosel, jetzt unterrichtet Helma-Thelen-Oberbillig vertretungsweise an der Freiherr-vom-Stein-Realschule plus in Bernkastel-Kues.

„Ich freue mich jeden Morgen, wenn ich auf der Fahrt die Burg Landshut sehe“, sagt die mittlerweile 70-Jährige. Sie ist dankbar für die Perspektive, die das Leben ihr bietet. Es tue ihr immer gut, etwas Neues anzufangen.

Und als hätte sie noch nicht genug zu tun, gibt sie auch noch Unterricht in drei Kursen in der Volkshochschule Wittlich, wo sie ihren „Golden Girls“ – wie sie ihre älteren Schülerinnen nennt – Englisch beibringt. Zu den Girls hat sich mittlerweile auch ein einzelner Herr gesellt, wie sie lachend berichtet.

Außerdem engagiert sie sich natürlich auch als zweifache Großmutter. Sie ist Reservistin der Bundeswehr und sieht sich als Vermittlerin zwischen Truppe und Gesellschaft. Viel Zeit hat sie auch mit Schülern in die Gestaltung des Volkstrauertags in Wittlich investiert. In der Trierer Schatzkammer macht sie regelmäßig Aufsicht, wenn die nicht gerade wegen Corona geschlossen ist. 

Manchmal wundert sie sich selbst, dass sie das alles schafft – die Fahrerei und den Unterricht mit Maske. Im Gespräch wirkt sie jedenfalls unverändert wie damals als man sich beim Jägerbataillon traf – in den 90er Jahren: engagiert, aufgeschlossen, vielfältig interessiert. Auch ihre Kinder kennen sie nicht anders. „Die würden sich wundern, wenn es anders wäre“, sagt die 70-Jährige. Und bei so einer Ausdauer traut man ihr zu, dass sie die 50 Jahre Schuldienst voll macht. Das wäre dann rekordverdächtig.

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