Aus dem Hunsrück in die weite Welt

Zwei der bekanntesten deutschen Weihnachtslieder stammen aus dem Hunsrück: "Es ist ein Ros' entsprungen" und "Lasst uns froh und munter sein". Doch noch andere Bräuche haben von hier aus den Weg in die weite Welt genommen.

Hunsrück. Das familiäre Weihnachtsfest spiegelt noch immer das Brauchtum evangelischer Familien aus der Biedermeier-Epoche. Denn Kränze binden, Plätzchen backen, Geschichten vorlesen, Hausmusik machen und Glühwein trinken gehörten damals wie heute zu den unverzichtbaren Vorbereitungen, die von Sonntag zu Sonntag im Advent auf den festlichen Höhepunkt zueilen. Sowohl das Dekorieren von Tannenzweigen mit weißen oder roten Kerzen als auch das Behängen von Weihnachtsbäumen mit bunten Glaskugeln und Lametta (ursprünglich waren es Äpfel, Nüsse und Lebkuchen) geht auf dieselben Bräuche zurück. Zwei Drittel aller deutschen Weihnachtslieder entstammen dem 18. und 19. Jahrhundert. Im Lauf zweier Jahrhunderte glich sich die katholische Welt den vorweihnachtlichen Gepflogenheiten der Protestanten vollendet an. Für beide Konfessionen gipfelt alles am Heiligen Abend in einer stimmungsvollen Christmette, wenn sich Kinder und Erwachsene allzugleich beim Gottesdienst angerührt fühlen und wehmütig der uralten Erzählung aus dem Stall zu Bethlehem lauschen. Seit alters her geht im Hunsrück und an der Nahe die Weihnachtsandacht in einer festlich erleuchteten Kirche der Bescherung im Familienkreis vor. Zwei der bekanntesten deutschen Weihnachtslieder sind aus dem Hunsrück in alle Welt hinausgezogen. Versionen für Katholiken und Protestanten

"Es ist ein Ros' entsprungen" erklang angeblich zum ersten Mal am Heiligabend des Jahres 1592 in der Stromberger Fustenburg. Dieser Uraufführung unter Leitung des späterhin als Kirchenmusiker berühmt gewordenen Michael Praetorius (1571 bis 1621) wohnte Johann Michael Elias Obentraut bei, der seinerseits als Reitergeneral und historischer "Deutscher Michel" zu Ansehen gelangte. Neuere Forschungen ergaben freilich, dass Praetorius jenes innige Weihnachtslied dem handschriftlichen Gebetbuch eines Trierer Karthäusermönchs namens Conradus entnommen und es sowohl textlich als auch musikalisch umgestaltet hat.In der Neufassung dieses ursprünglich vielstrophigen, doch seiner Meinung nach allzu "marienlastigen" Lobpreises der Gottesmutter behielt der evangelische Praetorius lediglich zwei Verse bei, was kuriose Folgen nach sich zog - bis heute. Denn noch in aktuellen Kirchengesangbüchern endet die zweite Strophe ("Das Röslein, das ich meine...") entweder mit dem Reim "Aus Gottes ew'gem Rat hat sie ein Kind geboren und blieb doch reine Magd" (katholisch) oder "wohl zu der halben Nacht" (evangelisch). Zugegeben: die katholische Fassung klingt ungleich logischer als Prätorius' protestantische Umbildung. So empfand es auch der Pfarrer Friedrich Layritz, der vor 150 Jahren noch ein paar Strophen hinzu fügte ("Das Blümelein so reine..."), weil dadurch nach seiner Ansicht "dem Sänger wenigstens ein verlängerter Genuss der wunderzarten, lieblichen Weise dieses Liedes bereitet werden dürfte". "Lasst uns froh und munter sein" ist das zweite Weihnachtslied vom Hunsrück, das ein mit dem Volksschriftsteller Wilhelm Oertel von Horn befreundeter Dorfschullehrer ersann, reimte und komponierte. Er lebte und lehrte in einem nicht näher bezeichneten Ort zwischen Simmern und Idar-Oberstein. Der Text schildert die Vorfreude seiner heranwachsenden Schüler, indem sie "lustig, lustig tralleralera" die spätabendliche Ankunft des Nikolaus erwarten und einen Teller aufstellen, worauf sich hoffentlich im Schutz der Nacht bald viele süße Gaben häufen.

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