Aus für 12,3 Millionen-Euro-Projekt

Das Morbacher Nahwärmenetz wird in der bislang geplanten Form nicht realisiert. Der Gemeinderat lehnte in nichtöffentlicher Sitzung ab, die Arbeiten für das 12,3-Millionen-Euro-Projekt auszuschreiben. Die Mehrheit des Gremiums hält das Risiko für zu hoch.

 Das Feuer ist aus: Das geplante Morbacher Nahwärmenetz, mit dessen Bau im Frühjahr begonnen werden sollte, wird nicht realisiert. Eine Gemeinderatsmehrheit hat sich für kleinere Lösungen ausgesprochen. TV-Foto: Klaus Kimmling

Das Feuer ist aus: Das geplante Morbacher Nahwärmenetz, mit dessen Bau im Frühjahr begonnen werden sollte, wird nicht realisiert. Eine Gemeinderatsmehrheit hat sich für kleinere Lösungen ausgesprochen. TV-Foto: Klaus Kimmling

Morbach. Zweieinhalb Stunden dauerte am Montagabend die nichtöffentliche Sitzung von Ortsbeirat und Gemeinderat Morbach. Danach stand fest: Die Gremien haben die Ausschreibung für die Realisierung des 12,3 Millionen Euro teuren Nahwärmenetzes inklusive Heizkraftwerk mit einer Gesamtleistung von 7,4 Megawatt in der Gemeinde Morbach abgelehnt. Zuvor hatte es auch im Ortsbeirat keine Mehrheit gegeben. Stattdessen soll das Thema neu aufgearbeitet werden. Man will Möglichkeiten prüfen, dezentrale Nahwärmeanlagen in der Gesamtgemeinde zu bauen. Das ist der Tenor eines Beschlusses, der auf Antrag der Freien Wählergruppe (FWM), der SPD, der Linken und des fraktionslosen Ratsmitglieds Hans-Georg Gröber mehrheitlich gefasst wurde. Zudem solle eine "überfraktionelle Arbeitsgruppe" gebildet werden, die das "Thema Nahwärme unter Berücksichtigung der Gesamtgemeinde zielorientiert mit hoher Transparenz begleitet".

FWM, SPD und Linke lehnen nach eigener Auskunft die Nahwärme nicht in Gänze ab. Die Bedenken richten sich vor allem gegen die Abhängigkeit von einem Unternehmen. Benötigt wird ein dauerhafter Wärmeabnehmer auch außerhalb der Heizperiode, um Strom zu erzeugen. Als Vertragspartner war die Morbacher Firma Ludwig Kuntz GmbH vorgesehen, die mit der Wärme Schnittholz trocknen wollte. Große Teile von CDU, FDP und Grünen halten das Risiko offenbar für vertretbar, ebenso wie Morbachs Bürgermeister Gregor Eibes. "Nahwärmenetze in dieser Größenordnung werden in Österreich schon seit 20 Jahren gebaut."

"Es wäre schon wegen der regionalen Wertschöpfung ein zukunftsweisendes Projekt gewesen", kommentiert der Rathaus-Chef die Entscheidung. Geplant war, in einem ersten Bauabschnitt mit Hackschnitzeln aus dem heimischen Forst acht kommunale Gebäude und 105 Privathaushalte und Firmen zu versorgen. Der Anschluss weiterer 48 Objekte für eine künftige Nutzung war vorgesehen.

Wie bei jeder unternehmerischen Entscheidung müssten Ratsmitglieder das Risiko abwägen, sagt Eibes. Allerdings sei das Thema Wärmeabnahme bereits im vergangenen Jahr bekannt gewesen. Das sieht beispielsweise Achim Zender (FWM) anders: "Die konkreten Verträge haben wir vorher nicht gekannt."

Firma Kuntz reagiert gelassen



Im Morbacher Sägewerk reagiert man gelassen. "Wir bedauern die Entscheidung des Gemeinderates, aber sie wird uns keine Probleme machen", sagt Gerd Lersch, kaufmännischer Geschäftsführer des Unternehmens mit 230 Mitarbeitern. "Wir hätten gern mit der Gemeinde zusammengearbeitet." Das Nahwärmenetz sei Bestandteil von mittelfristigen Planungen gewesen. Nun werde man die erforderliche Energie selbst erzeugen.

Dass der Gemeinderat mehrheitlich einem der teuersten Projekte in der Geschichte der Einheitsgemeinde die Rote Karte zeigt, kommentiert Eibes so: "Ich sehe das sportlich." Er wisse, dass Bürger und Firmen auf das Nahwärmenetz gewartet hätten. Allerdings habe die Gemeinde keine verbindlichen Zusagen gemacht. Wie geht es nach seiner Auffassung jetzt weiter? Eibes: "Wir müssen noch mal ganz von vorne anfangen."

MEINUNG
Transparenz hat gefehlt

Von Ilse Rosenschild

Was in letzter Konsequenz die wenigsten für möglich hielten, ist in Morbach passiert. Das mit viel Aufwand geplante Nahwärmenetz wurde kurz vor der Realisierung gekippt. Es wäre, sieht man einmal von der Ortskernsanierung ab, das größte Projekt in der Geschichte der Einheitsgemeinde Morbach gewesen. Angesichts eines solchen Großprojektes sind Bedenken der Kommunalpolitiker verständlich, im Zweifelsfall sogar angebracht. Schließlich hätte die Gemeinde als Investor das Hauptrisiko getragen. Ob dieses vertretbar ist, oder nicht, muss jedes Ratsmitglied letztlich mit sich abmachen. Dennoch ist es kein normaler Vorgang, wenn der Gemeinderat nach zwei Jahren Planungen die Ampel auf Rot stellt. Zumal es in Morbach guter Brauch ist, Entscheidungen mit großer Mehrheit zu fällen. Es ist in diesem Fall offenbar nicht gelungen, im Vorfeld genügend Transparenz herzustellen und die Fraktionen in den Prozess hinreichend einzubinden. Die Abhängigkeit von einem großen Wärmeabnehmer war im Grundsatz bereits im Herbst vergangenen Jahres bekannt. Das Thema hätte lange vor der Ausschreibung geklärt werden können. Da es allerdings in der Tat ein Kernpunkt des Morbacher Vorhabens ist, muss das Projekt beerdigt werden..
.
i.rosenschild@volksfreund.de

Chronologie

Morbach Mehr als zwei Jahre lang befassen sich die Gremien mit dem Thema Nahwärme in Morbach.
Die Eckdaten:

November 2008: Die Gemeinde Morbach will bis zum Jahr 2020 energieautark werden. Das ist Kerngedanke eines Leitbilds, das der Gemeinderat verabschiedet. Gleichzeitig denkt die Gemeinde Morbach über ein Nahwärme-Projekt nach, das öffentliche Einrichtungen und Privatgebäude mit Energie versorgen soll.

Februar 2009: Der Gemeinderat beschließt den Betrieb in Eigenregie. Ein erster Auftrag zur Projektierung wird vergeben. Im Rathaus erhofft man sich Zuschüsse aus dem Konjunkturpaket II.

März 2009: 200 Bürger nehmen an einer ersten Info-Veranstaltung teil, bei der sie über finanzielle und technische Details informiert werden. Die Grundidee der Gemeinde ist es, Wärme abgekoppelt vom Ölpreis anbieten zu können.

Mai 2009: Für Bau und Betrieb von Heizkraftwerk und Leitungsnetz soll eine GmbH gegründet werden.

Juni 2009: Es gibt kein Geld aus dem Konjunkturprogramm-Topf (KII). Das Mainzer Umweltministerium begründet die Absage damit, dass überwiegend private Haushalte angeschlossen werden sollen. Bürgermeister Gregor Eibes will bei Ministerpräsident Kurt Beck persönlich nachhaken.

Juli 2009: Für Bau und Betrieb soll auf Empfehlung des Gemeinde- und Städtebunds statt der GmbH eine Anstalt des öffentlichen Rechts gegründet werden.

Februar 2010: Bürgermeister Gregor Eibes gibt bekannt, dass Ministerpräsident Kurt Beck sich nicht umstimmen lässt. Die Gemeinde muss neu kalkulieren. 185 Antragsteller wollen ans Netz.

September 2010: Der Gemeinderat Morbach stimmt neuen Plänen zu. Neben einem Holzheizwerk ist der Einsatz eines sogenannten ORC-Kessels mit einer Gesamtleistung von 7,4 Megawatt geplant, der Wärme und Strom erzeugt. Effektiv kann er nur arbeiten, wenn er ganzjährig in Betrieb ist. Überschüssige Wärme will die Firma Ludwig Kuntz für die Trocknung von Schnittholz nutzen. Der Arbeitspreis steigt von 7,5 auf acht Cent, der Grundpreis pro Monat von durchschnittlich 15 auf 20 Euro.

Dezember 2010: 105 Private und Firmen sagen für einen ersten Bauabschnitt verbindlich eine Wärmeabnahme zu, 48 zu einem späteren Zeitpunkt.

Januar 2011: Der Gemeinderat lehnt eine europaweite Ausschreibung von Heizwerk und 9,7 Kilometer langem Leitungsnetz ab. Stattdessen sollen die Möglichkeiten für dezentrale Netze geprüft werden. (iro)

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort