Babylon in der Burgruine

HUNOLSTEIN. 400 Besucher trotzten der kühl-feuchten Witterung und ließen sich im Hof der Burgruine Hunolstein von Verdis "Nabucco" in die Zeit des Königs Nebukadnezar entführen.

 Barbara Krzekotowska brilliert als Abigaille in einer der schwersten Sopran-Rollen überhaupt.Foto: Ursula Schmieder

Barbara Krzekotowska brilliert als Abigaille in einer der schwersten Sopran-Rollen überhaupt.Foto: Ursula Schmieder

Petrus zeigte sich gnädig und ließ es in der Nabucco-Aufführung in der Burgruine Hunolstein nur kurz regnen. Das aber ausgerechnet in der Szene, in der sich Nabucco anschickte, die Götter der Babylonier und Hebräer zu verhöhnen. Als sich Nebukadnezar, König von Babylon um 600 vor Christus, dann selbst zum Gott ausrief und ihm ein Blitzstrahl den Verstand raubte, hatte das Publikum bereits von den Regencapes Gebrauch gemacht. Doch war der Spuk nach einer Viertelstunde vorbei.Was blieb, waren kühle Temperaturen, die aber dank der Akteure der Schlesischen Staatsoper Bytom (deutsch Beuthen) kaum Beachtung fanden. Denn die Darsteller und Musiker zogen das Publikum mit Ausdruckskraft in ihren Bann. Der Freiheitskampf der von Nabucco (Pawel Kajzderski) in die babylonische Gefangenschaft geführten Hebräer hat seit der Uraufführung 1842 nicht an Faszination verloren.Ebenso wenig wie die Folgen von Machtgier und Eifersucht, hervorragend interpretiert von Barbara Krzekotowska als Abigaille im Zwist mit Nabuccos Tochter Fenena (Iwona Noszczyk). Auch Giuseppe Verdi - nach privaten Schicksalsschlägen und dem Misserfolg seiner zweiten Oper scheinbar bereits am Ende seiner Karriere - war von der Geschichte beeindruckt. Das Libretto von Temistocle Solera inspirierte ihn zu dem Werk, das sich an die damalige Besetzung Italiens durch Österreich anlehnt. Verdis Gefangenenchor wurde zur heimlichen Nationalhymne."Die Balance zwischen Chor, Orchester und Solisten ist wunderbar", zeigte sich Nikolai Tchotchev während der Pause beeindruckt. Den Lehrer der Kreismusikschule freute, dass das Ensemble so "richtig italienisch" spiele: "Alle passen zusammen, und dann passiert diese Virtuosität." Neben der besonders guten Stimme von Bariton Nabucco hob er die Partitur der Sopranistin (Abigaille), eine der schwersten überhaupt, hervor. Mit dieser Rolle hätten Sänger Weltkarriere gemacht.Mit "Bravo"-Rufen bedankte sich das Publikum bei den Künstlern, die sich dafür mit einer Zugabe revanchierten. Ein weiteres Mal ließen Orchester und Gefangenenchor Verdis "Va pensiero, sull'ali dorate!" ("Fliegt, Gedanken, auf goldenen Schwingen!") vor angestrahlter historischer Kulisse erklingen. Begleitet von den stehenden Ovationen der Operngäste trat das Ensemble danach die Reise nach Schwalmstadt, dem nächsten Tournee-Ort, an."Ich fand das ganz toll, ich war hin und weg", gestand Carla Sander, eine junge Frau aus Neumagen-Dhron, ein. Bärbel Anton fand die Aufführung "grad in dem Burghof" faszinierend. "Deshalb haben wir das Geld auch ausgegeben. Ich find das Fleckchen hier sehr schön." Einen Besuch im Theater oder ein Musical gönnt sie sich ansonsten einmal im Jahr. Der Morbacherin Brigitte Becker und Adelheid Knoblauch aus Hoxel gefielen vor allem die schönen Stimmen. Dass das renommierte Ensemble in Hunolstein Station machte, liegt an der Zielsetzung, für die Aufführungen Orte mit ausgeprägter Romantik oder herausragender regionaler Bedeutung auszuwählen.

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