"Bäume haben ihre Sprache"

Wittlich · Schädlinge und Klimawandel: Die Bäume an den Straßenrändern und auf den Plätzen der Stadt Wittlich altern und sind schädlichen Umwelteinflüssen ausgesetzt. Damit niemand von einem morschen Riesen erschlagen wird, überwacht ein hauptamtlicher Baumgutachter den Bestand.

 Auch die Platanen in der Koblenzer Straße werden regelmäßig kontrolliert. TV-Foto: Klaus Kimmling

Auch die Platanen in der Koblenzer Straße werden regelmäßig kontrolliert. TV-Foto: Klaus Kimmling

Wittlich. Bis ein Baum hohl und instabil ist, haben ihn Pilze, Fäulnis oder Schädlinge über Monate oder Jahre hinweg von innen heraus zerfressen. Der unvermeidliche Zusammensturz wirkt für den Laien dennoch meist als käme er aus heiterem Himmel.
Doch Experten wie Gärtnermeister Stephan Brandscheid, der sich hauptamtlich um den Baumbestand der Stadt Wittlich kümmert, können die schwindende Vitalität eines Baumes bereits frühzeitig erkennen. "Bäume haben ihre Sprache", sagt Brandscheid. An der Rindenstruktur, den Ästen und dem Laub könne man vieles zur Standsicherheit der Bäume erkennen. Wenn der Baum kein Wachstum mehr zeige oder Schäden nicht mehr kompensiere, sei es ebenfalls schlecht um das Gehölz bestellt, erklärt der Gärtnermeister.
Spätestens seit dem tödlichen Baumunglück in der Stadt Trier 2012 (der TV berichtete), überwachen immer mehr Städte und Gemeinden in der Region ihr Gehölz. In Wittlich wurde das Baumkataster 2006 eingeführt. Zwar wurde die Gesundheit der hölzernen Riesen schon zuvor überwacht. Seitdem trägt jedoch jeder Baum seine eigene Nummer samt GPS-Adresse und bekommt eine eigene Dokumentation.
4800 Bäume


Brandscheid kontrolliert und katalogisiert mit zwei weiteren Kontrolleuren rund 4800 städtische Bäume. Dazu kümmert sich das Team um eine unbestimmte Menge Gehölz in der Fläche. Die Bäume werden grundsätzlich einmal im Jahr überprüft, meist im Herbst, sagt Brandscheid, da man ihre Vitalität dann am besten einschätzen könne. So lasse sich ein Pilzbefall im September am besten erkennen, da dann die Fruchtkörper zu sehen sind.
An Standorten mit hohem Publikumsverkehr wie den Friedhöfen schauen die Kontrolleure allerdings mehrmals im Jahr vorbei. Nach Stürmen sind zusätzliche Besichtigungen notwendig. Liegt ein ernster Verdacht vor, verkürzen sich die Zeitabstände zwischen den Begutachtungen weiter. Dazu kommen intensivere Untersuchungen wie Bohrwiderstandsmessungen. Dringt die Bohrnadel dabei nicht gleichmäßig sondern unkontrolliert vorwärts, lässt das auf Fäulnis und Hohlräume im Baum schließen.
Wenn die Untersuchung es erfordert, schweben die Kontrolleure mit einem Hubwagen bis in die Wipfel hinauf. Gibt es dennoch kein eindeutiges Ergebnis, wird ein externer Baumsachverständiger zu Rate gezogen.
44 Kriterien


Allein um die Standsicherheit eines einzigen Baumes zu bewerten, erfassen die Kontrolleure 44 Kriterien zum Zustand der Krone, des Stammes, den Wurzeln sowie seiner Umgebung. Muss ein Exemplar gefällt werden, rückt eine Kolonne mit einem Forstwirt und zwei Gärtnern aus, um ihn abzuholzen. 2014 wurden im Stadtbereich zehn Einzelbäume sowie diverse Bäume in Wind- und Wildschutzstreifen gefällt. Vor einem Monat mussten gleich fünf Kastanien auf dem Schloßplatz umgelegt werden. "Die waren bereits durch Pilzerkrankungen und verschiedene Schädlinge geschwächt. Bereits im Spätsommer waren viele Blätter braun und sind abgefallen. Langfristig hätten diese Bäume eine Gefahr dargestellt", erklärt Brandscheid. "Deshalb haben wir sie gefällt." Die im Rahmen des Baumkatasters notwendigen Überprüfungen, Dokumentationen und Fällarbeiten kosten die Stadt im Jahr 58000 Euro.Extra

 Wenn die Untersuchung es erfordert, schweben die Kontrolleure bis in die Wipfel hinauf. TV-Foto: Archiv/Klaus Kimmling

Wenn die Untersuchung es erfordert, schweben die Kontrolleure bis in die Wipfel hinauf. TV-Foto: Archiv/Klaus Kimmling

Bäume reagieren empfindlich auf vielfältige Einflüsse. Zu den häufigsten Ursachen, die für Schäden am Gehölz verantwortlich sind, zählen Grundwasserabsenkungen, Bodenversiegelungen, Bodenauftragungen, Wurzelabtrennungen, eine zu starke UV-Strahlung als Folge des Klimawandels, holzzersetzende Pilze im Wurzel- und Stammbereich sowie verschiedene Schädlinge. red

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