Kunst Horaz, Pop-Art und das Geheimnis der Kuh

Kunst oder Krempel? Sachverständige nehmen in Wittlich Gemälde, Skulpturen und andere Schätze unter die Lupe.

Kunstsprechstunde in Wittlich
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Erste Kunstsprechstunde in Wittlich

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Der römische Dichter Horaz, ein Rindvieh und Dampfschiffe auf dem Rhein bei Koblenz haben sehr wohl eine Gemeinsamkeit: Sie alle wurden als Motive von Malern oder Bildhauern aufgegriffen. Viele solcher Werke waren bisher rund um Wittlich in privaten Wohnungen, gar Kellern, verborgen. Wie viel Kunst tatsächlich drin steckt und was die Stücke auf dem Markt wert sind, haben die Experten Diana Lamprecht und Dr. Stefan Heinz für die Besitzer bei der ersten Wittlicher Kunstsprechstunde im Museum „Casa Tony M.“ untersucht. Das Konzept erfreut sich im Fernsehen großer Beliebtheit. Schon seit den 1980er Jahren läuft im Bayerischen Rundfunk die Sendung, deren Namen den entscheidenden Punkt nennt: „Kunst und Krempel“.

Längst sind zahlreiche ähnliche Formate, wie etwa „Bares für Rares“ hinzugekommen. Und auch im Raum Wittlich stellen sich offenbar viele Menschen beim Blick auf Erbstücke ihrer Familie die Frage nach dem Wert. Das zeigten die Anmeldungen für die Kunstsprechstunde. Die verfügbaren acht Plätze für die kostenlose Beratung waren innerhalb kürzester Zeit ausgebucht, berichtete Simone Rösch für den Veranstalter, die Stiftung der Stadt Wittlich.

Für ihre Idee der Wittlicher Kunstsprechstunde hatte Diana Lamprecht die städtische Stiftung und ihren Berufskollegen Stefan Heinz schnell begeistert. Was die Kunsthistoriker allerdings beim Termin in der „Casa Tony M.“ erwartete, darauf konnten die zuvor eingesandten Fotografien der Objekte nur zum Teil vorbereiten. Vor Ort war weitere Detektiv-Arbeit gefragt.

Da gab es zum Beispiel die schwere Schreibtischuhr mit Bronzefigur, die Klaus-Peter und Marianne Feld in den Saal  trugen.  „Ein solches Stück auf dem Tisch zu haben ist natürlich immer etwas anderes. Man muss drumherum laufen können“, meinte Heinz und schnappte sich sogleich eine Lampe für den genauen Blick. Der auf dem Ziffernblock liegende römische Herr war recht schnell identifiziert: Die Lyra passte zum Dichter Horaz – eine französische Inschrift auf der Rückseite bestätigte es. Der Stil der Bronze passte in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts.

„Mein Vater hatte die Uhr vor vielen Jahren bekommen, als jemand sie wegwerfen wollte. Wir haben sie nach seinem Tod übernommen. Uns war sie fürs Wohnzimmer allerdings etwas zu laut“, erzählte Klaus-Peter Feld. Pfleglich behandelt wurde sie trotzdem. Sogar der Schlüssel zum Aufziehen des Pendels sei noch vorhanden, stellten die Experten bei der Untersuchung erfreut fest.

 „Die frühen Formen dieser Empire-Uhren wurden im Dampfverfahren mit Gold überzogen. Wegen der dabei freigesetzten gefährlichen Quecksilberdämpfe wurde das später verboten“, erläuterte Lamprecht. Auf dem Kunstmarkt sei Goldüberzug nichtsdestotrotz ein Plus. Darstellungen von weiblichen Antiken-Persönlichkeiten steigerten den Wert weiter. Aber auch ohne solche Vorzüge könnte die „Horaz-Uhr“  zwischen 200 und 300 Euro bei einer Auktion erzielen.

Weitaus weniger eindeutig war der Fall mit dem Rind. „Das ist das erste Kuh-Porträt, das sich sehe“, gestand Heinz, als ihm ein Besucher das Ölgemälde präsentierte. Gut, in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhundert hätten Tiere eine wichtige Rolle gespielt – ein Rinder-Kopf sei jedoch neu. Der Schriftzug auf der Rückseite der Leinwand sorgte für zusätzliche Fragezeichen. „Ecce homo“, weist als Zitat aus dem Johannesevangelium (auf deutsch: „Seht, da ist der Mensch.“) üblicherweise auf eine Passionsdarstellung des gegeißelten Christus hin. „Möglicherweise wurde ein vorheriges Motiv übermalt“, folgte  Lamprecht einer neuen Spur.

Und tatsächlich fanden sich  Hinweise für diese Theorie. Ob deswegen eine Durchleuchtung des Bildes lohnt, ist jedoch nach Meinung der Experten eher fraglich. „Der verschollene Rembrandt – wie im Krimi – ist in der Regel nicht darunter“, begründete Heinz. Wem einst die Kuh so sehr am Herzen lag, dass sie auf Leinwand gebannt wurde, blieb also vorerst unbeantwortet.

Hartung III. oder Hartung IV.? Auch hier blieb Klärungsbedarf bestehen. Mehrere Familien-Generationen von Malern namens Heinrich Hartung wirkten bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts im Koblenzer Raum. Eines ihrer Werke hatte der Wittlicher Turgut Aktas zur Kunstsprechstunde mitgebracht.

 Die Stadtansicht zeigte Koblenz in der Zeit vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg – komplett mit Dampfschiffen und dem Kaiser hoch zu Ross am Deutschen Eck. „Mir geht es hauptsächlich darum, etwas zur Geschichte des Bildes zu erfahren und zu klären, wie man es angemessen bewahren kann“, sagte Aktas. Ersteres erledigten die Kunstsachverständigen gleich vor Ort – bis auf die kleine Hartung-Unklarheit. Und für das zweite brachte Heinz ebenfalls eine Idee vor: Das Mittelrhein Museum Koblenz könnte Interesse an dem Werk haben. Ein Kontakt soll nun vermittelt werden.

Überraschungen aller Art hatten die Besucher der Kunstsprechstunde im Gepäck. Manche waren weniger erfreulich. „Auf dem Foto und durch das Glas des Rahmens hatte man es nicht gesehen. Aber das ist ein Nachdruck“, stellte Lamprecht bei der Untersuchung eines Bildes mit Watzmann-Motiv fest. Schade, denn es wäre sonst vermutlich um die 500 Euro wert gewesen.

Die Besitzerin Bettina Lorig aus Klausen nahm’s sportlich: „Jetzt weiß ich wenigstens Bescheid.“ Andere Entdeckungen fielen positiver aus. Ein Gemälde im Gepäck von Ralf Amerkamp machte auf den Maler C. Lambrecht aufmerksam. Der war bislang wenig in den Fokus gerückt, hatte aber offenbar in Wittlich vielfach gewirkt – beispielsweise in der Synagoge und im Kreuzgang der Kirche St. Markus. Die städtische Stiftung und die Verantwortlichen im Museum „Casa Tony M.“ wollen seiner Spur nun folgen.

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