Beim WM-Sieg hing er über dem Abgrund

TRABEN-TRARBACH. Im vergangenen Jahr hat Werner Arbogast aus Ediger-Eller 68 Mosel-Stückelcher unter dem Titel "Im Fluppes liegt Wahrheit" herausgebracht. Die heiteren Geschichtchen kamen bei den Lesern so gut an, dass der pensionierte Lehrer, frühere Finanzbeamte und gelernte Metzgermeister an einer Fortsetzung arbeitet.

Arbogast freut sich über den "Riesenerfolg" seines literarischen Erstlingswerkes. Selbst in Australien und Amerika wurde das Büchlein gelesen, weil Moselaner es ihren dort lebenden Verwandten geschickt hatten. "Da wurden Erinnerungen geweckt, und einige bekamen auch bisschen Heimweh", sagt der 63-Jährige, der bereits ein gutes Dutzend neuer Stückelcher zusammengetragen hat. Das sind heitere und auch nachdenklich stimmende Episoden, die sich in den vergangenen Jahrzehnten an der Mosel zwischen Cochem und Bernkastel-Kues ereignet haben. "Heute wird alles so pessimistisch gesehen", hat Arbogast festgestellt, "dabei gab es viel schlechtere Zeiten". Er selbst hat sie am eigenen Leibe erfahren, weiß, was Armut ist und hat sich dennoch nie unterkriegen lassen. "Auch unter schlechten Voraussetzungen kann man etwas schaffen und muss nicht scheitern. Viele geben zu schnell auf", hat ihn die Lebenserfahrung gelehrt. Arbogast, in Trier geboren und in Traben-Trarbach aufgewachsen, hat hier bewegte Jugendjahre erlebt und und ist später durch die Welt gezogen. In seinem neuen Büchlein wird er auch davon berichten. Aus dem gut gelaunten jugendlichen Pensionär mit dem fröhlichen Naturell sprudelt es nur so heraus, und im WM-Jahr 2006 kommt die Erinnerung an 1954: "In Traben-Trarbach gab es damals nur zwei Fernseher, und einer stand oben in der Grevenburg-Schenke". Deutschland war im Endspiel, und die Gaststätte brechend voll. Nur Männer hatten sich dort eingefunden, um das Finale zu sehen, "und selbst vor den Fenstern standen sie und schauten durch die Scheiben zum Fernseher", erinnert sich Arbogast. Er war zwölf Jahre jung und "ein schmächtiges Kerlchen", aber dennoch ein verwegener Bursche, der sich das Fußballspiel natürlich nicht entgehen lassen wollte. So kletterte er an die andere Seite der Burgschenke, unter der sich der Abgrund zur Mosel öffnet. "Wenn ich mir das heute überlege", sagt er mit leichtem Schaudern, "dann war das eine ganz gefährliche Sache". Damals jedoch knotete er seinen Gürtel um die Eisenstäbe vor dem Fenster und saß auf einem 15 Zentimeter breiten Sims. Aus dieser luftigen und durchaus nicht bequemen Perspektive erheischte er den Blick auf die Flimmerkiste und freute sich mit den vielen anderen Traben-Trarbachern über den deutschen WM-Sieg. "Das war eine unwahrscheinliche Euphorie, die Leute haben sich umarmt und geweint. Wir waren wieder wer", erinnert sich der "wild aufgewachsene Straßenjunge" heute. Für sein neues Büchlein benötigt er aber auch die Hilfe der Moselanrainer, insbesondere der älteren Menschen aus den Dörfern, die noch Interessantes von früher berichten können. "Aus Kröv habe ich zum Beispiel gar nichts", bedauert Werner Arbogast, der jetzt wieder "richtig Lust aufs Schreiben bekommen" hat. Wer Episoden und Geschichten von früher kennt, kann sich mit Werner Arbogast, Hochstraße 1 in 56814 Ediger-Eller oder telefonisch unter 02675-1668 in Verbindung setzen.

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