Besser in der Hand als im Griff

BERNKASTEL-KUES. Er trägt einen großen Namen: Mit Professor Kurt Widmer war ein international renommierter Sänger und Gesangslehrer nach Bernkastel-Kues gekommen, um fünf Tage das Zusammenspiel von Stimme und Bewegung zu vermitteln.

"Für Menschen, die vom Gesang leben, und Menschen, die ohne Gesang nicht leben wollen", war der Kurs ausgeschrieben, der aus juristischen Gründen nicht Meisterkurs genannt werden darf. Bereits zum dritten Mal war Prof. Kurt Widmer aus Basel in die ehemalige jüdische Synagoge nach Bernkastel gekommen. Um das Zusammenspiel von Stimme und Bewegung geht es in den Kursen des Schweizer Musikprofessors, Baritons, Gesangslehrers, Konzert- und Oratoriensängers, der neben vielen internationalen Preisen auch den Deutschen Schallplattenpreis bekommen hat. Bei mehr als 100 Uraufführungen hat er mitgewirkt, zahllose Konzerte gegeben und war bei Einspielungen auf Tonträgern beteiligt. Besonders am Herzen lag ihm schon immer das Weitergeben der vielen Geheimnisse des Gesanges an den musikalischen Nachwuchs. Dieses Interesse stieß bei der Triererin Ellen Höfer, Mitglied der Musikgruppen Tourdion und Duchesse, und ihrer Kollegin, Mechthild Dühr, auf fruchtbaren Boden. Auch diesen dritten Widmer-Kurs in Bernkastel haben sie organisiert. Eindrücke aus dem Gesangskurs: Singend wird der 31-jährige Markus Decker um das Pult gejagt. Das Valentinsgebet aus der Oper "Margarethe" von Charles Guonod intonierend, hatte er festgestellt, dass er zumindest Teile seiner Energie "im Becken festhält". Kurzerhand knüllte der Basler Professor ein Stück Tageszeitung zu einem Fußball zusammen, den Markus nun rund um den Pult schießen muss, während er die komplette Arie in den Raum schmettert. Begleitet von Ute Körner am Klavier, schafft er dies bravourös. Widmer: "Und, ist dir das Lied schon mal so gut gelungen?". "Ich glaube nicht", gibt Markus zu, der aus Detmold angereist ist. Widmer weiß genau, was er tut, und hilft jedem Schüler dort, wo es hapert. Es wird hart gearbeitet, aber auch viel gelacht. Er macht sie alle locker und beweglich - zum Beispiel mit einem Stift in der Hand, der das gesungene Lied in Linien überträgt und damit den Vortrag pointierter und ausdrucksstärker macht. Oder er nutzt eine Schüssel voll Wasser, damit sich eine Sängerin vorstellen kann, sie sei ein Schiff auf einem See und damit die Wirbelsäule zum Schwingen bringt. Laut Kurt Widmer führt das steife Stehen auf einer Bühne zu nichts: Bewegung muss in den Vortrag. "Sonst habe ich nichts weiter als eine Erwartungshaltung: Ich warte, und ich halte, und wundere mich, dass es nicht funktioniert."Die Leute da abholen, wo sie stehen

Entscheidend sei der Unterschied zwischen den Gesang "in der Hand haben" und "ihn im Griff haben": Im ersten Fall stehe die bewegliche, flexibel reagierende Hand für das Gelingen eines Vortrages, im zweiten der steife, starre Griff für das Gegenteil. Jörg Fuß aus Reutlingen sieht den Kurs als Auffrischung und Anregung zur Weiterentwicklung. Der 53-Jährige hat bei einem Widmer-Schüler das Singen gelernt, die Methodik ist ihm demnach schon vertraut. Dennoch: "Wenn du immer allein singst, fällt dir irgendwann nichts mehr ein." "Prof. Widmer holt die Leute da ab, wo sie stehen", bestätigt Mechthild Dühr. Gemeinsam mit Ellen Höfer wird sie, wenn der Mann aus Basel Zeit findet, immer wieder Kurse organisieren. Von 26 Teilnehmern waren diesmal zehn in einer passiven Rolle: Auch die, die nicht selbst Lieder vortragen, nehmen vieles mit nach Hause, sei es für den Chor, in dem sie mitsingen, sei es auch nur für die heimische Dusche. Der Clou: Für passive Teilnehmer kostet der Tag nur 15 Euro. Informationen über weitere Widmer-Kurse in der Region im Internet unter www.duchesse.de/gesang.

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